Mittwoch, 18. Dezember 2013

VOM FÖRDERN + FORDERN UND GEBEN UND LIEBEN + ÜBEN + SEHNSUCHT


BÖTTCHER-NEWSLETTER 12/2013

VOM FÖRDERN + FORDERN UND GEBEN UND LIEBEN + ÜBEN + SEHNSUCHT


Liebe Freunde,

hier kommen die allerherzlichsten Grüße von mir zu euch – und ein letzter kleiner Newsletter in diesem ereignisreichen Jahr. Ich bin gestern Nacht von einer weiteren Konzert-Tour zurückgekehrt und fühle mich erschöpft und lebensmüde, gleichzeitig auf merkwürdige Weise ermutigt und beschwingt durch die vielen wunderbaren Begegnungen mit all den Menschen (und/also einigen von euch!), die wie ich auf der ständigen Suche nach Sinn in all dem Wahnsinn und Frieden in all dem Krieg sind, der uns alle täglich umgibt.

Gestern früh bin ich auf der schönen Nordseeinsel Sylt aufgewacht. Nach einem kurzen Strandspaziergang bin ich im Morgendunst durch das verschlafene Dörfchen geschlendert, in dem ich Quartier genommen hatte. Und alles war still. Es kam mir fast vor wie eine Sinnestäuschung. Alle Kneipen, Restaurants und Souveniershops waren geschlossen, das Leben spielte sich nicht auf den Straßen den Gässchen oder den Stränden ab, sondern - wenn überhaupt - in den schwachbeleuchteten Wohnzimmern der Einheimischen, von denen einige wahrscheinlich nicht mal im Traum daran dachten, an einem so unfreundlichen Tag auch nur einen einzigen Schritt vor die Tür bzw. vors eigene Bett zu setzen. Winterschlaf. Und ich erwischte mich wieder bei dem Gedanken, dass es möglich sein müsste, deutlich mehr Ruhe und Gelassenheit in unsere Leben einzuladen. Aber, ach ja, nee, da is ja noch was. Zeit für Stille? Das muss man sich ja erstmal leisten können.

Ich werd das Fass jetzt nicht unnötig öffnen und bin mir natürlich auch darüber im Klaren, dass es immer ganz extrem damit zusammenhängt, in welchen „Kreisen“ man sich gerade aufhält und welchen Menschen man begegnet– aber mir scheint es doch unübersehbar, dass die Welt „da draußen“ (die wir natürlich alle selbst sind) in Bezug auf Leistung immer unnachgiebiger und deutlich härter wird. Alles wird bewertet, beurteilt, gekauft, verkauft, alle beißen sich ständig durch, alle dealen möglichst zu ihrem Vorteil, sei es im Business oder privat, alle sind irgendwie neurotisch, irre, drüber, drunter, alle klagen ständig über alle und alles, alle sind verschuldet, alle brauchen Therapie (glücklich jene, die einen Platz kriegen – leider reichen die Milliarden, die die Bundesregierung mit Waffendeals reinbringt ja nicht unbedingt für diese Art von medizinischer Versorgung), alle kämpfen verbissen um „Likes“ im virtuellen und im echten Alltag. Die Angst, die als vermeintlich nicht „funktionierender Mensch“ erlittenen Traumata nicht überwinden zu können und mit diesem Stempel des Scheiterns nichts Besonderes mehr sein zu können sein, dabei von den „Glücklichen und Erfolgreichen“ weiter übersehen zu werden, nirgendwo erkannt zu sein, schnürt so vielen Menschen Seele und Kehle zu. Das ist langsam wirklich nicht mehr witzig.

Und in all dem Bemühen, irgendetwas darzustellen, was wir vermeintlich sind oder auch eben nicht sind, übersehen wir irgendwie zwanghaft, dass es ja gar nicht mehr gibt, als dieses Sein, dieses Wunder, das uns geschenkt wurde, den himmlischen Funken, der in uns glüht, der uns einfach lebendig sein lässt, der uns die Fähigkeit verliehen hat, einfach (sic) zu sein, wenn möglich einfach zu lieben. Was suchen wir eigentlich, die Nase ständig auf der staubigen Straße?

Kürzlich hab ich mal ein Interview mit dem Singer-Songwriter John Mellencamp gelesen, in dem er gefragt wird, wie er eigentlich so damit zurecht kommt, dass er kein „Superstar“ mehr ist und wie er das alles nach Herzinfarkt, Verlust von Ehe, Beziehungen und guten Deals eigentlich so sehen würde. Er antwortete, dass er Jahre damit verbracht hat, wie ein verbissener Hornochse zu versuchen, wieder „nach dort oben“ zu kommen – dann hätte er aber eines Tages nach kurzem Innehalten aufgegeben, weil festgestellt: „Hm. Shit. Ich versuche also wieder nach da oben zu kommen. Aber … ähm. Da war ich ja schon. Und da ist ja gar nichts!
Erinnert sich zufällig noch jemand an den wunderbaren Ausspruch von Jesus - den mit den „Lilien auf dem Felde“? Für die vielen Seelen, die das entweder vergessen haben oder gar nicht wissen wollen, die dazu womöglich nicht mit exorbitanter Leistung-bis-zum-Unfallen-Bereitschaft und einem Durchsetzungsvermögen gesegnet/gestraft sind, das sich mit Inbrunst und breiter Brust in all die tosenden Herbst- und Winterstürme des zivilisierten Dschungel-Lebens stellt, ist das Leben in dieser Welt ein ganz schön heftiger Ritt. Ich kann natürlich nicht sicher sein.. aber ich glaube, ihr versteht. Ich fühle mich da jedenfalls beteiligt. Für mich ist das Leben ein heftiger Ritt.

Ich überspringe mal das „Unwort des Jahres“ (was auch immer das diesmal offiziell sein mag) und komme flugs zu meinem persönlichen „Unsatz des Jahrzehnts“. Er ist nicht neu, fiel mir im Vorfeld der Bundestagswahl aber wieder ein paar Mal ins Auge: Er lautet „wir müssen fördern und fordern“ und bezeichnet (mit gefühlt süffisantem Unterton) wohl so etwas wie den Grundpfeiler unseres Wuchtbrummen-Sozialsystems.

Für mich, einen Menschen, der trotz und in all seinem alltäglichen Scheitern immer weiter (jawohl, jawohl, natürlich auf äußerst unvollkommene Weise – habt ihr den Korken gehört, der grad mit Schmackes aus dem Flaschenhals flog?) versucht, das Wesen der Gnade, der Vergebung und der Liebe zu erspüren, ist das an Zynismus kaum zu überbieten, heißt es doch nichts anderes als: Hey, verstehst du nicht? Es gibt hier verdammt nochmal keine Geschenke, es gibt keine Barmherzigkeit. Alles ist Leistung. Du bekommst nur etwas, wenn wir dafür etwas zurückbekommen. Aber mal ehrlich: Screw it. Dieses System, das sich in uns allen längst einen lauschigen Platz an den Spirituosenfässern der Hobbykellerbar gesichert hat, ist doch nicht nur im Begriff zu scheitern, sondern schon längst in Tausende von Teilchen zersprungen. Dummerweise sind diese Teilchen aber keine Theorie, keine physikalischen Einheiten, sondern menschliche Seelen. Es sind jene Seelen, die entwürdigt in den Randbezirken unserer inneren und äußeren Shoppingmeilen (oder auch: Arge & Co und so) kauern und nichts anderes ersehnen, als etwas geschenkt zu bekommen, ohne dafür etwas leisten zu müssen. Und nein, ich sage es vorsichtshalber mal dazu: ich meine nicht Marzipankartoffeln, sondern Würde, Liebe und Wertschätzung. Und ich rede auch nicht nur von den offensichtlich Gescheiterten, sondern von uns allen.

Ich bin dabei nicht naiv genug, zu glauben, dass die Liebe und der in ihr enthaltene Geist des Gebens das Leben auf dieser Welt jemals regiert hätten, aber ich bin immerhin naiv genug zu glauben, dass es möglich ist, diesem Geist wenigstens einen kleinen, vielleicht wachsenden Teil unserer eigenen kleinen Welt zu überlassen. Deshalb schreibe ich diese Zeilen hier also in meinem Weihnachtsnewsletter. Wahrscheinlich schreibe ich sie aber auch, weil ich mich gesegnet und beschenkt fühle, da ich Menschen kennen und sogar meine Freunde nennen darf, die sich von dieser Liebe geleitet fühlen.

Auch wenn es immer wieder überraschend ist: Weihnachten ist tatsächlich ja nicht das Fest des Ipad-Schenkens. Es ist Symbol für das ultimative Geben – ob man's nun glaubt oder nicht, die Symbolik ist und bleibt ja großartig: in einem kleinen Stall in Bethlehem kommt derjenige zur Welt, dessen Geist uns allen die Freiheit schenkt, nicht mehr leisten zu müssen – sondern „nur“ noch sein zu dürfen, wozu wir alle hier sind: Zu lieben, uns selbst in dieser Liebe gegenseitig zu verschenken. Ein Geschenk, die Erlaubnis zur Barmherzigkeit: Die Welt des „Forderns“ zu einer Welt des Gebens zu machen, in der wir alle automatisch „gefördert“ werden. Da ist kein Müssen. Aber Dürfen.

Ich habe in den vergangenen Wochen auf Tour viel über die „Revolution“ gesprochen und gesungen, die auf unserem neuen Album Titel und Thema ist (siehe die älteren Newsletter bzw. im Blog) – und ich habe dabei so viele wunderbare Rückmeldungen bekommen, in denen mir die Menschen erzählen, dass sie sich wirklich angeregt fühlen, es zu wagen, Schritte in diese Richtung „Loslassen statt Rechthaben“ und „Gnade statt Moral“ mitzugehen. Einige haben mir geschrieben, sie hätten „es getan“ und mir von den Veränderungen berichtet. Das ist wirklich wunderbar – und auch für mich sehr ermutigend. Ich selbst maße mir dabei ja nicht an, darüber mehr zu wissen als irgendjemand von euch. Mehr noch: Ich bin und bleibe Praktikant. Ich habe deshalb wohl einfach Sehnsucht danach, dass es uns irgendwie gemeinsam gelingt. Geben und Nixzurückwollen. Fördern und Schenken. Fördern und Klappe halten.

Ich verzichte hier des weiteren ausnahmsweise mal auf sämtliche Profanitäten, erst recht also darauf, auf meine aktuellen Werke hinzuweisen. Nur eines davon (kost aber nix) sei euch bei Interesse ans Herz gelegt, nämlich das frischgedrehte Video zu einer akustischen Version unseres Songs „N.O.A (nach oben abstürzen)“, das Henry, Karsten und ich spontan in all dem Trubel zwischen ein paar Tourterminen bei mir zuhause im Wohnzimmer aufgenommen haben. War ein ziemlich gemütlicher Abend. :-) Es ist übrigens ein Liebeslied (inkl. Sehnsucht, siehe oben, siehe immer, siehe unten) Wahrscheinlich überrascht das ja niemanden so wirklich. :-) Hier isses:




Oh, bevor ich's vergesse und sich noch jemand über den Bruch von alten Bräuchen beschwert. ;) Hier natürlich noch mein Zitat des Monats.

Du bist überall – trotzdem habe ich Heimweh nach Dir“
(Rumi)

Ich wünsche euch allen ganz wunderbare Weihnachten und ein frohes und schönes neues Jahr. Wir sehen uns auf Tour oder bei anderer Gelegenheit. :-)

pax
jens


Alben
IV: Revolution (2013) Anklagend Schweigend Rosenrot (2012) Am Ende des Tages (2012) Viva Dolorosa (2010) Reisefieber (2007) Himmelherz (2005)

Bücher
Interview mit dem Teufel (2011) Der Tag des Schmetterlings (2009) Steiner (2007)

Videos auf YouTube.

Kontakt: Facebook/jens böttcher oder via www.boettchercom.de

Sonntag, 10. November 2013

ÜBER "IV:REVOLUTION" #7


Zum Abschluss der kleinen Gastblogger-Serie zum neuen Album "IV:Revolution" schreibt hier und heute der großartige Jörn Schlüter, den ich seit Jahren sehr schätze und bewundere - sowohl als Musikrezensent beim Rolling Stone Magazin, als auch ganz besonders als Songschreiber (und zwar schon seit ich vor mehr als zehn Jahren erstmals über seine berührenden Kompositionen staunen durfte). Checkt Jörns Stoff mal aus, Homies. :-) j.



*** 

Jörn Schlüter ist der Sänger und Gitarrist der Bremer/Hamburger Band Someday Jacob und schreibt für das Rolling Stone Magazin. Er lebt in Bremen. 

Jazz und feuchte Straßen

In einem Lied auf Jens großartiger, bewegender, himmelhochjauchzender und wehmütiger neuer Platte hat ihm eine Frau die Seele verdreht, und er versteht die Welt nicht mehr. Das ist das Schöne an Jens und seiner Poesie, dass er die Welt nicht versteht (jedenfalls nicht ganz) und keine Antworten hat (jedenfalls nicht auf alles). Leute, die auf alles eine Antwort haben, sind schrecklich, man muss sich vor ihnen in Acht nehmen.

Vielleicht sieht Jens das genauso. Jedenfalls ist sein Sehnen, Summen, Lieben und Flehen tief ins wahre Leben getunkt und so unmittelbar, dass man es ganz direkt am eigenen Leib erfährt, siebzehn Lieder lang. Es steckt Glaube, Liebe und Hoffnung in ihnen, aber auch und ein Gefühl von Abschied und Tod. Jens ist natürlich der Mann in Schwarz, dessen Halleluja gleichzeitig gebrochen ist und ewig leuchtet. Wie war das doch gleich mit dem Riss im Herzen, durch den das Licht fällt? Lieber einen solchen Riss, als immer im Dunkeln sitzen.

Es ist ein paar Jahre her, da stehe ich mit Jens in einer Kneipe in Bremen, es ist wohl Karfreitag. Eine Stunde noch bis zum Auftritt, ein Gespräch über Gnade, Schmerz und noch ausstehende Heilung, wir sehen die Dinge ähnlich. Insbesondere die fromme Welt hat manchmal Mühe mit Zwischenlösungen, Zweideutigkeiten und dem Schon-jetzt-aber-noch-nicht-ganz. Jens nicht. Danke dafür, mein Freund.

Irgendwo schreibt jemand ein Gedicht, das uns zu Tränen rührt. Bei dem Lied „Liebe, Schatten & Licht“ singt Dania König, das ist auch so ein Mensch, der Zerbruch erlebt hat und umso mehr ewige Hoffnung im Herz hat. Wir hören ein wunderschön trauriges, aufwühlendes, wahrhaftiges und poetisches Duett. Die Poesie! In ihr erkennt man die Wahrheit besser als überall sonst. Kurz davor kommt auf der Platte „Gelobtes Land“, ein dunkles Lied mit einem rätselhaften Text. Die Gedanken kleben tot an der Wand, um halb Acht fährt der Zug ins gelobte Land: Vielleicht wird hier von einem sehr dramatischen Moment erzählt, den Jens vor einer Weile erleben musste. Bin ich froh, dass du noch bei uns bist.

In einem Zeitungsartikel schrieb kürzlich jemand, er sei überrascht gewesen, mit wie viel freundlicher Offenheit dieser zunächst dunkel wirkende hobo auf die Menschen zugehe; in einem anderen Text ist von der „therapeutischen Aura“ seiner Konzerte die Rede. Leute! Spiritualität, Heilung für die Seele, sich selbst verschenken lernen, darum geht es.

Wie mächtig die Liebe in diesen Liedern ist. Sie steckt genauso in ihnen wie der Punk und der alte Gospelfolk, der seine Wurzeln nicht nur in Amerika hat. Das darf man nicht vergessen, wie gut diese Musik komponiert wurde und wie fabelhaft rumpelnd sie gespielt wird.

Jazz und feuchte Straßen, Gnade und Engelsflügel, Jesus und sein Stammcafé: ein Segen, dass es die Platte gibt.

Jörn Schlüter

Sonntag, 3. November 2013

FACHKRÄFTEMANGEL, TOURTERMINE UND NEUES VON DER REVOLUTION.


BÖTTCHER-NEWSLETTER 11/2013
FACHKRÄFTEMANGEL, TOURTERMINE UND NEUES VON DER REVOLUTION.
Hallo liebe Freunde,
hier kommen wieder herzliche Grüße von mir zu euch aus meiner kleinen Hütte in Himmelherzhausen, südlich der Hansestadt Humbug. Im letzten Newsletter hab ich ja noch geprahlt, wie überraschend gut es mir gelingt, regelmäßig jeden Monat einen zu verfassen – und schwupps, ist der Oktober vergangen, ohne dass ich euch geschrieben habe. Verzeihung! ;) Und übrigens danke an all diejenigen unter euch, die mich gelegentlich wissen lassen, dass ihnen das Lesen dieses Newsletters/Blogs wirkliche Freude bereitet – und auch nochmals an all die, die uns bei der Finanzierung des neuen Albums „IV:Revolution“ via Crowdfunding-Plattform Startnext.de unterstützt haben. Thx!
Wir hatten mittlerweile eine wirklich schöne Releaseparty im Gentle Art Studio in Hamburg und haben außerdem einen Schwung Konzerte quer durchs Land mit den neuen Songs gespielt. Es macht uns wirklich sehr viel Freude, damit nun unterwegs zu sein. In den Liedern geht es also erneut um tiefe Emotionen, um den Versuch, die menschliche und die himmlische Liebe (und deren Schnittmenge!) zu finden, festzuhalten, einzuordnen – und dabei nicht den Blick dafür zu verlieren, dass wir doch alle unperfekte „suchende Gefundene“ sind – ohne dass dabei irgendjemand DIE große Wahrheit wüsste und sich also erdreisten sollte, sie für sich zu beanspruchen. DIE Wahrheit zeigt sich ja doch nur – wenigstens schemenhaft - in unserer Liebe zu- und untereinander. Aber auch da... wer von uns dürfte für sich in Anspruch nehmen, diese Disziplin zu „beherrschen“? Ich persönlich wüsste niemanden. Und diejenigen wirklich Liebenden, die ich kenne und von denen ich oft staunend denke, dass sie darin weiter sind als ich und andere – die schmücken sich interessanterweise nicht damit. Wahrscheinlich ist das eine positive Nebenwirkung des Liebens – dass es demütig macht und diesen Hang zu aufgeblasener Rechthaberei (jeder religiösen oder sonstigen Färbung) aus uns herausoperiert. Wie auch immer... viele von uns, die wir uns nicht damit schmücken können, diesbezüglich Fachkräfte zu sein, sind auf dieser Suche nach dem richtigen Maß des Liebens so oft im Randbereich der Verzweiflung, an der glitschigen Kante dieses furchtbaren Gefühls bodenloser Verlorenheit und Einsamkeit. Ich schreibe Lieder und Geschichten darüber, weil ich dieses Gefühl selbst so gut kenne. Und ich kann dabei nicht aufhören zu hoffen, dass es uns gelingt, offener und ehrlicher zu werden - und auf diese Weise immer wieder davon überrascht zu werden, dass offensichtlich doch stimmt, was der großartige Saint-Exupèry mal schrieb: „In der Sehnsucht nach der Liebe ist die Liebe bereits enthalten.“ Diese Erkenntnis mag ein erster Schritt zu dieser „Revolution“ sein, um die es auf dem neuen Album also geht. Wer mag, hört und schaut mal ins Album und in die Konzerte rein ... und macht mit...
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JENS BÖTTCHER & DAS ORCHESTER DES HIMMLISCHEN FRIEDENS UNTERWEGS TOURDATEN FÜR DEN HERBST
Henry, Karsten, Svenzen(*) und ich werden demnächst an folgenden Orten auftauchen und freuen uns wie wild auf ein Treffen mit euch:
9.11. Hamburg, Haus III/7o. Schulterblatt, Schanzenviertel. 20h. Wir supporten den wunderbaren Johannes Falk auf seiner aktuellen Clubtour. https://www.facebook.com/events/492907857465608
14.11. Eschborn (Nähe Frankfurt). Hauskonzert. Ab 19h. Bei Interesse bitte Mail an mich.
15.11. Engelskirchen. Evangelische Kirche, Hauskonzert im kleinen Saal. Bei Interesse bitte Mail an mich.
16.11. FEG Bonn. (*)1930h. Schaut mal in diesen Link: http://www.fegbonn.de/konzert-mit-jens-boettcher.261.html
17.11. Evangelische Kirche Geilenkirchen. 18h. Link: http://www.evangelische-kirche-geilenkirchen.de/geilenkirchen/index_2470.php
13.12 Sylt Westerland. (*)Rathaus. 12h. Geschlossene Gesellschaft.
13.12. Sylt Morsum. (*)Hauskonzert. 20h.
14.12. Anskargemeinde Hamburg. 20h. Jens solo als Special Guest beim „Königskind“-Abend mit Someday Jacob, Dania König, Sara Lorenz etc.
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LIEBE, SCHATTEN, ANGST + LICHT
Für die unter euch, die es noch nicht gesehen haben. Hier nochmal der Link zum ersten Video des Revolution-Albums: „Liebe, Schatten, Angst + Licht“ (feat. Dania König), Bitte empfehlt es gern weiter. ;)
Wer den Song und das Album gerne erwerben würde: Ihr könnt es natürlich bei den üblichen Verdächtigen (Amazon, Itunes, Saturn, Media Markt, Blahblah ;) ) überall online bekommen oder auch: für 15€ zzgl. Porto direkt bei uns ordern. Bitte einfach eine kurze Mail mit Bestellung an info@gentleart.de. Auch die limitierte EP mit sechs weiteren, exklusiven Songs (entweder als 12“ Vinyl oder als Papersleeve-CD) könnt ihr bei uns direkt bekommen. Die Vinyl-EP kostet z.B. bei Amazon skandalöse 24,99, bei uns ebenfalls 15€. Die Papersleeve-EP gibt’s (nur bei uns) für 10€. Und hier jetzt noch ein paar weitere sachliche Infos und Updates:
ROMAN „STEINER“ BEINAHE AUSVERKAUFT... Nur damit sich hinterher keiner ärgert: Mein erster Roman „Steiner – oder die merkwürdige Lebensreise eines möglicherweise zurecht verrückten Gemüts auf dem Weg zu einem unbekannten Ziel, an dessen Erreichen sich nicht geringe Hoffnungen knüpfen“ nähert sich nun recht flott dem Status „vergriffen“. Nach meinen Informationen hat der Brendow-Verlag nur noch eine Handvoll Exemplare und auch online gibt es bei den verschiedenen Anbietern nur noch ein paar Restexemplare. Wer sich also die schöne Hardcover-Variante noch ins Regal stellen möchte, bevor das Buch dann erstmal eine Weile nicht mehr erhältlich sein wird, sollte jetzt nicht mehr zögern. Ach ja, auch das „Reisefieber“-Doppelalbum von 2007 ist übrigens nun ausverkauft. Natürlich ist es weiterhin noch als Download-Version erhältlich, aber die schöne haptische Digipack-Version ist nun wohl erstmal Geschichte und im Internet nur noch gelegentlich zu ziemlich horrenden Preisen erhältlich.
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DIE UMARMUNG … ist der Titel des Kapitels, das ich zu einer Weihnachts-Anthologie beigesteuert habe, die frisch im Chrismon-Verlag erschienen ist. Das Buch heißt „Weihnachten bei uns zuhaus“ und es sind einige sehr schöne, persönliche Geschichten von interessanten Autoren darin zu finden (Arnd Brummer, Thommie Bayer, Stephan Krawczyk. Christine Lieberknecht, Jochen Malmsheimer u.v.a.) Lesetipp also. ;)
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GEFUNDEN … heißt ein brandneuer Song, den ich für das kommende Album von Dania König aufgenommen habe. Das Album wird „Versprochen“ heißen und ebenfalls mit vielen interessanten (diesmal musikalischen) Gästen und einigen wunderschönen Songs über „himmlische Versprechen“ glänzen. Es soll Anfang des nächsten Jahres bei Gerth Medien erscheinen.
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Fehlen nur noch meine Zitate des Monats... (oder besser: noch weitere, da sich ja auch das von Exupèry weiter oben ganz sicher eignet... ;)
Bei einem gewissen Stande der Selbsterkenntnis und bei sonstigen für die Beobachtung günstigen Begleitumständen wird es regelmäßig geschehen müssen, dass man sich abscheulich findet.
(Franz Kafka, Tagebücher)
Der Menschen Not kann man nicht moralisch korrigieren, sondern wir müssen ein Vertrauen lernen, das uns unser Glück zurückgibt. Kein Mensch, der glücklich ist, fügt absichtlich einem anderen Leid zu. Wir müssen in die Welt zurück, die einmal von Freude bestimmt war, in der Menschen noch wissen konnten, wer sie selber sind.“
(Eugen Drewermann, aus dem Buch „Wozu Religion?“)
So, das war's für heute. Danke schön für eure Aufmerksamkeit, eure Liebe und eure Freundschaft. Ich hoffe, wir sehen uns bei einem der Tourtermine!
Godspeed+Pax y'all
jb


Mittwoch, 30. Oktober 2013

ÜBER "IV:REVOLUTION" #6


ÜBER "IV:REVOLUTION" #6

Und noch ein Gastblog zu unserem neuen Album. Heute von unserem hochtalentierten Langzeit-Homie Daniel Monninger aus Marburg, der schon vor einigen Jahren ganz wunderbare und genreunüblich-lyrische Rezis zu meinen Soloalben "Himmelherz" und "Reisefieber" bei Sound7.de veröffentlicht hat und sich seitdem - zurecht und mit Freude zitiert - in sämtlichen Promo- und Pressetextmäppchen von uns tummelt. :-) 

Foto: Paintpictures Bilderwelten

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Daniel Monninger, dessen Alter hier nichts zur Sache tut, vertreibt sich an der Uni Marburg als Zeithistoriker die Zeit und verdingt sich nebenbei als Texter, Lektor und Schreibcoach (www.diphthong-textproduktion.de)

Die Trinität der Revolution

Ein bisschen wundern muss man sich ja schon. Da schreibt ein Mann mittleren Alters – nennen wir ihn der Einfachheit halber Jens – Lieder über das Leben und über die Liebe und über alles, was ihm sonst noch so vor die Gitarre läuft (andererseits, naja, was wäre da nicht schon von Leben und Liebe abgedeckt?). Er schreibt also und schreibt und heraus kommt dabei zunächst recht rumpeliges Zeug, das einer Hamburger Undergroundkapelle – nennen wir sie der Einfachheit halber „Böttcher“ – ganz gut zu Gesicht steht und dem man die revolutionäre „Wir gegen die“-Pose durchaus abnehmen würde. 

Nach einem kleinen Zwischenfall in einer Hotelbadewanne ist „Böttcher“ Geschichte und
unser Barde heißt zwar immer noch so und schreibt auch immer noch so, singt aber plötzlich von göttlicher Erlösung. Das ist für den gemeinen Revoluzzer dann doch gar starker Tobak, zumal sich die frommen Zeilen zunächst in countryesken Gospel kleiden („Rosenbrock & Böttcher“) und dann, inzwischen solo, in immer runder werdendes Gitarrengeklimper. Da ist doch einer weich geworden! Und, auch wenn sich über das erlöste Lächeln schon immer ein paar Sorgenfalten gelegt hatten: Das sanfte Wegwischen von Tränen mit dieser ewigen Alles-wird-gut-Attitüde konnte doch unmöglich das Ende der produktiven Fahnenstange gewesen sein.

Und dann das! Unser Protagonist schreibt noch immer fleißig vor sich hin, doch der Mann mittleren Alters mutiert plötzlich zum Revolutionär. Naja, zunächst mal nur zum selbsternannten. Worin besteht also diese Revolution, die das vierte Solo-Album in Gestalt eines hintersinnigen Wortspiels proklamiert? Sie ist, das wäre dann auch zu viel des Guten, kein Ruf zu den Waffen, kein Aufruf auf die Barrikaden. Denn sie ist mehr, viel mehr des Guten. Sie ist ein Aufruf gegen die Barrikaden, ein flammendes Plädoyer gegen eine Ghettoisierung des Herzens, das sich, eingepfercht in ein Gehege aus Selbstsucht und Moralität, doch schon immer nach Freiheit gesehnt hat.

Innerhalb des Böttcherschen Kosmos ist das keine Revolution, vielmehr die konsequente Fortführung einer Lebensreise, die aus dem Suchenden erst einen Christen gemacht hat und dann einen suchenden Christen. Das hat eine fast pantheistische Weite zur Folge, die manch passioniertem Barrikadenbastler sicherlich sauer aufstoßen wird, wenngleich aus dem weißen Feuer zwischen den Zeilen von „IV: Revolution“ an allen Ecken und Enden Jesus quillt. Wie anders wäre es auch möglich, „nur noch nach oben abzustürzen“, wie eines der Lieder nahelegt?

Überhaupt ist das Revolutionäre an dieser Revolution nicht ihr Eifer für eine gerechte Sache, sondern ihr Eifer für eine gerechte Person, nicht der Umsturz der äußeren Verhältnisse, sondern der Umsturz der inneren, vielleicht nicht einmal aktives Umstürzen per se, sondern aktives Verändern lassen. Kurz: Das Revolutionäre besteht in einer Umdeutung des Revolutionsbegriffs, die jedoch nicht beliebig ist, sondern konsequent. Schärfer war der Ausdruck nie und auch selten näher an seiner ursprünglichen Bestimmung. Drei Übersetzungsvarianten legt ein handelsübliches Lexikon für die lateinische revolutio nahe, der unser moderner Revolutionsbegriff entwuchs. Sie bezeichnet zunächst die Umdrehung von Körpern um ein Zentrum, meint alsdann eine Rückkehr. Und schließlich: „Sie fanden aber den Stein weggewälzt von dem Grab.“…

Wenn nun ein Mann mittleren Alters namens Jens von einer Revolution schreibt, die wie selbstverständlich diese Trinität in sich vereint; wenn er diese Revolution vertont mit Arrangements, die in ihrer dichten Vielschichtigkeit eine kleine Revolution darstellen, mit einer Band, die auf der bisherigen Höhe ihres Schaffens ist – ja, dann bleibt nur noch auszurufen: Die „Wir gegen die“-Revolution ist abgesagt. Wir kämpfen jetzt für die Revolution des „Ich bin du“.
Und wundern uns ein bisschen.

-Daniel Monninger- 

Freitag, 18. Oktober 2013

ÜBER IV: REVOLUTION #5


Als Gastbloggerin No.5 schreibt hier die wundervolle und unvergleichliche Songpoetin Sarah Brendel über unser neues Album "IV:Revolution". 
Falls ihr es noch nicht gemacht habt: checkt unbedingt mal Sarahs gesammelte Werke aus, Homies. Die sind allesamt von bezaubernder Schönheit. Thx Sista Sarah für deine Worte. :-)

***

Sarah Brendel lebt in einem Künstlerschloss bei Dresden, sie singt und ist mit ganzem Herzen Mutter.

IV: Hoboblues – in Farbe.

Die Ouverture öffnet die Türe in eine Welt,
die anders ist, als ich zunächst gedacht hätte,
ihre Fährte lockt träumerisch
und schon steht man am Rand der Zeit.
Nun sind hier 17 Songs zu hören, die immer noch
von Liebe und Gnade sprechen,
deren Tonfall aber düster und messerscharf
bis in die hinterste Ecke raunzt.
So singt einer, der sich seiner eigenen Mittel
schon immer sehr bewusst war
und nichts zu verlieren hat,
der erzählt, was er beobachtet -
und die Instrumente einsetzt wie sie kommen. 
Die Aufnahmen klingen unangestrengt und selbstreflektiert,
hier gibt jemand nicht vor, größer zu sein als er ist -
das erleichtert das Zuhören, man findet sofort Zugang.
Die alten Stärken von Jens Böttcher
sind auf diesem Album noch künstlerischer,
das hobohafte, freie Spiel ist feiner und facettenreicher geworden.
Es sind die gleichen Gesichter,
die gleichen Strassen.
Derselbe Blues,
nur diesmal nicht in schwarzweiss,
sondern in Farbe.

Sarah Brendel


Montag, 7. Oktober 2013

ÜBER IV: REVOLUTION #4



Foto: Paintpictures Bilderwelten

Heute als Gastblogger zum neuen Album "IV: Revolution" - unser alter Bruder und geliebter Weggefährte Steffen Richter - der vor gut zehn Jahren als A&R eines christlichen Labels maßgeblichen Anteil daran hatte, dass unsere Musik landesweit auf recht schnittige Weise polarisieren durfte. :-) Besonders schön an seinem besonders schönen Text ist übrigens, dass er nicht darauf verzichtet hat, die Lappen zu erwähnen, die einen gewissen Herrn Rosenbrock und mich auch heute noch zum entrückten Lachen bringen.  Und nee, das muss man jetzt nicht verstehen. :-) Danke, Bro. 

***

Steffen Richter ist alterstechnisch kurz vor der Umschiffung des Kaps der guten Hoffnung, erhofft für seine beiden wilden Jungs einen Platz im offensiven Mittelfeld der TSG Wieseck, lebt als überzeugter Bürger in einer temperamentvollen Universitätsstadt Hessens, empfindet große Leidenschaft für seinen Beruf, auch wenn Journalistenmenschen nicht den besten Leumund haben, verdient die leckeren Semmeln für die Familie als Kommunikator einer internationalen NGO und wenn Jens Böttcher gerade mal nicht die Gehörgänge umschmeichelt, verehrt Steffen musikanten des Americana, in diesen Tagen besonders gerne David Ramirez, Holly Williams, Jay Nash, the Civil Wars, Steve Earle oder Amos Lee.     


Ein lebendiger Fluss. 

Musik ist ein bisschen wie Fußball. Sie polarisiert. Mitunter sogar stark. Jens Böttcher kann ein Lied davon singen. Tut er aber nicht. Seine Lieder thematisieren nicht Schubladen, und auch nicht deren Inhalt. Jens singt im engeren und weiteren Sinne Liebeslieder. Seine Mission ist Liebe. Man könnte dieser banalen Erkenntnis, oberflächlich betrachtet, einen gewissen Schmuddelcharakter beimessen und in die lebensbejahende Bahnhofsgegend verschieben. Das, liebe Freunde, käme allerdings der Wahrheit nicht sehr nahe und spräche für eine komplette Unkenntnis des musikalischen Schaffens unseres Genius. Mal mit Rosenbrock, mal mit einem Orchester des himmlischen Friedens, mal solo, mal mit Hut, selten ohne, ja, es gibt ihn in vielen Variationen. Egal aber wie er gerade die Öffentlichkeit kreuzt, sein großes, brennendes Herz, seine tiefe Liebe zu den Menschen flankiert alles. Liebe zu den Menschen zu haben, das zeichnet das Gesamtkunstwerk Jens Böttcher aus.

Man könnte glatt meinen, ich umschmeichle einen alten Freund mit einer gewissen Absicht, verpacke das in möglichst freundliche Worte und stütze auf diese Weise seinen neuesten Arbeitsnachweis aus einer vermeintlich neutralen Perspektive. Ähhhh, dem ist so. Keine Frage. Dem ist so, aber jeglicher kritischer Aufschrei ungezügelter Empörung gepimpter Wutbürger verstumme augenblicklich, denn diesem meinem kleinen Kommentar geht eine erneut außergewöhnliche Leistung voraus. Mir bleibt keine Wahl. Ich liebe diesen Kerl und seine Musik. Fürchte, das wird sich nicht ändern. Er singt von meinem Leben. Er berührt mich. Er tröstet mich im richtigen Moment. Schenkt mir Hoffnung. Er lacht mit mir, imaginär und von Angesicht zu Angesicht, manchmal auch im Telefon. Er gibt mir die Chance, mit seiner Musik auch anderen Menschen zur Seite stehen zu können. Das ist passiert. Mehrfach.
Klar. Jens Böttcher bleibt ein Geschichtenerzähler, ein Überzeugungstäter, auch ein Spaßmusiker und auf eine gewisse Art und Weise auch ein chronischer Antizeitgeistler, aber er hatte dennoch schon immer ein Faible für die richtigen Impulse und eine ausgesprochen authentische Empathie für die Vergessenen, die verlorenen Seelen, die Schmerzensmenschen. Er ist auf eine Art und Weise gesegnet, talentiert, beschenkt, dass aus dem knorrigen, zunächst für viele eher sperrigen Barden ein Hoffnungsträger wird. Innerhalb von Minuten. Wie war das noch? „We learned more from a three-minute-record than we ever learned in school.”

Es ist mir eine große Ehre, dass ich diese Zeilen schreiben darf. Auch, weil ich einen ausgeprägten Hang zur Rampensau habe und gerne einen immens wichtigen Teil zum Umfeld der neuen Platte beitragen will. Es ist mir eine große Ehre trotz der absoluten Freiheit, inhaltliche Vorgaben zu vergessen und Darstellungsformen Darstellungsformen sein zu lassen. Intuitives Schreiben sozusagen. Keine Grenzen. Es ist schwierig, aber ich bemerke, dass ich diesen luftleeren Raum sukzessive intensiver mag.

Zwölf Jahre bieten viele erwähnenswerte Gelegenheiten, Umstände, Songs, Lappen und tatsächlich unglaubliche Geschichten. Nostalgie hat schöne Seiten, hat aber gleichermaßen eine hässliche Fratze, die sich in der Gefahr äußert, eine Sekunde zu lang in der Vergangenheit zu verharren. Der Blick zurück ist schön, er bedingt aber oft auch Stillstand und findet seinen Antrieb nicht selten in gegenwärtigen Problemen, vor denen es ohnehin kein Entrinnen gibt.

„IV: Revolution“ ist wieder kein Stillstand, eher das Gegenteil: Ein lebendiger Fluss. „IV: Revolution“ ist Freude. Glück. Ja, Liebe, tiefe Liebe. Diese Platte ist wieder kontrovers, sie ist eine Provokation, wie eine Provokation sein sollte. Sie hat wieder dieses unbezwingbare Trostpotenzial. Eine hymnische Ode auf dieses Leben mit all seinen Unwägbarkeiten, beschissenen „dog days of the summer“, Rückschlägen, aber auch Erfolgen, mit all seinen Knutschereien, gerne im übertragenen Sinne zu verstehen, seinen Möglichkeiten, seinen Sonnenzeiten, Urlauben, Feiertagen und kindlicher Freude. Dass auch diese Revolution mit den alten Kempen bestritten wird, ist ein Erfolgsgarant. Nie klangen diese Jungs wilder, frischer, homogener, direkter, oder auch rumpeliger. Wir hören und sehen ein eingespieltes Team jenseits von Katalonien, das zu außergewöhnlichen Leistungen imstande ist.

Gnade“ etwa ist ein Werk, das Tom Waits wohl gerne geschrieben hätte, vielleicht noch immer schreiben möchte. Fehlt womöglich die Erkenntnis. Dieses bemerkenswerte Stück Musik, durchaus aufwändig arrangiert und produziert, ist mein Höhepunkt dieses Lebenszeichens. Es festigt nicht nur meinen Glauben, meine Hoffnung, meine Liebe. Es zeigt mir, dass dieser Jens Böttcher eine immens schwierige Aufgabe meistert: Niemals die Wurzeln vergessen, verraten gar, und dennoch weitersegeln. Es gibt noch so viele Menschen, die auf seine Musik warten und viele wissen es nicht einmal. Gott mit Dir, mein Freund.

Steffen Richter

Mittwoch, 2. Oktober 2013

ÜBER IV: REVOLUTION #3



Liebe Schwestern, Brüder, Mütter, Väter, Cousins ersten bis tausendsten Grades, Schwippschwagers, Bürgerinnen und Bürger, Freundinnen und Freunde. Voller Freude und mit etwas aufrichtiger Rührung räume ich an dieser Stelle mal kurz einer Reihe von wunderbaren Gastbloggern etwas Platz ein. Unsere überaus talentierten Freunde Lorenz Ritter (Werbetexter), Sarah Brendel (Musikerin), Steffen Richter (Journalist), Rainer Buck (Autor), Daniel Monninger (Historiker und Texter) , Jakob Friedrichs (Autor und Comedian) und Jörn Schlüter (Musiker, Produzent, Schreiber für u.a. den Rolling Stone) berichten in vom ihrem ersten Höreindruck betr. unseres neuen Albums „IV:Revolution“, das ab sofort überall erhältlich ist. 


Heute schreibt: Jakob Friedrichs - Autor, Künstler, Paar- und Konfliktberater, Theologe und Prediger. Er arbeitet als "Referent für Popularmusik und neue Spiritualität" bei der EKHN und verschönert die Bühnen dieser Welt mit dem hessischen Musik-Kirchenkabarett superzwei (früher nimmzwei). Neben seinen vielfältigen geistlichen und künstlerischen Aktivitäten schaut er am liebsten Filme oder philosophiert über ein zeitgemäßes Christentum. (Kontakt: jakob@superzwei.de)

IV:Revolution - Stationen einer Freundschaft (Eine Liebeserklärung)

Er hat es wieder getan...!
Es gibt Menschen, die begleiten einen. Selbst wenn man sie nicht oft sieht.
Ich kenne Jens Böttcher seit nunmehr 8 Jahren. Genau genommen, seit dem 2. Juli 2005. Ich weiß das Datum noch so genau, weil an diesem Tag das Weltumspannende Rockfestival Live 8 unter dem tollen Motto "Make Poverty History" gleichzeitig in 10 großen Städten auf der ganzen Welt stattfand. In Deutschland an der Siegessäule in Berlin mit 200.000 Zuschauern. Und wir waren mit superzwei auf dem Weg - nein, nicht dahin, schön wär's gewesen ;-) - sondern nach Hamburg, um dort in einer Pfingstgemeinde aufzutreten. Es sollte übrigens eines der desaströsesten Konzerte in der ganzen nimmzwei/ superzwei Geschichte werden, aber das wussten wir noch nicht, als wir auf der Autobahn gebannt Bono im Radio lauschten, wie er in London mit dem Beatlesklassiker "Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band" Live 8 eröffnete.
Wie gerne wäre ich selber in London oder Berlin dabei gewesen. Und wenn schon nicht on-stage (als unbedeutender christlicher Comedian kann man auch nicht alles vom Leben verlangen, was?), dann doch wenigstens davor. Live dabei. Radio ist eine lausige Alternative (vielleicht wie diese 70er Jahre Sexfilmchen von Oswalt Kolle im Vergleich "to the real thing" - aber egal, ich schweife ab. Denn im Nachhinein bin ich froh, weder in London noch in Berlin vor oder auf der Bühne gestanden zu haben. Sogar unser eigenes Konzertdesaster dieses Abends nehme ich dankbar in Kauf (und es war ein Desaster ohne Gleichen: Die, äh, richtige Band am falschen Ort, nehme ich an; gefühlte Horden von 60 - 120-jährigen, die 15 Minuten nach Beginn unseres Konzertes begannen kopfschüttelnd den Saal zu verlassen, vielleicht weil sie Lobpreis oder Manfred Siebald oder wenigstens den Anton aus Tirol erwartet hatten, aber ganz sicher die Begriffe "christlich" und "Satire" in einem Atemzug für eine blasphemische Kontradiktion hielten - wie auch immer, wir spielten jedenfalls den Saal nahezu leer... Wenn ich Desaster schreibe, meine ich Desaster!). Während überall auf der Welt Millionen von Menschen miteinander für die Abschaffung der Armut rockten, verwaisten wir auf einer pfingstlichen Bühne... Aber ich bin froh an diesem Ort gewesen zu sein und nicht an einem der jenen. Warum? Weil ich sonst diesen seltsamen Herren mit Gangsterhut und Springerstiefeln nicht kennengelernt hätte, der da in unsere Gebetszeit vor dem "Auftritt" platzte, auf mich zuschlappte und "ich bin übrigens der Jens" nuschelte.

Das war jetzt wahrscheinlich die längste Hinführung zu einer Freundschaft, die je geschrieben wurde, was? Wobei, wer regelmäßig die famosen Newsletter des Herrn Jens Böttcher liest, weiß, dass ich mich in guter Gesellschaft befinde ;-) Dort begab es sich also. Am 2.7.2005. Im Hamburger Vorzimmer des Desasterkonzertes schlechthin. Mir war jedenfalls sofort klar, dass hier ein Typ stand, den ich auf keinen Fall wieder verlieren wollte. Und das obwohl mir seine CDs der rosenbrock+böttcher-Ära, die ich immerhin schon mal gehört hatte, gar nicht so recht zusagten (das war mir alles zu over-the-top-christlich und "kanaanäisch"... Sorry, Jens, ich hoffe, du nimmst mir das jetzt nicht übel ;-)).
Aber so geschah es. Wir blieben in Kontakt. Manchmal gemailt, ab und an telefoniert und uns seitdem vielleicht 6 oder 7 mal getroffen. Das ist nicht oft. Einmal davon hat der gute Jens superzwei als Laudator auf der Promikon einen Preis überreicht. Und ein weiteres Mal haben wir gemeinsam unter seiner Regie das Video zu seiner famosen Coverversion unseres "Ich laufe, ich falle" gedreht.   Aber das waren eher "Buisnessmeetings" (wobei ich beim letzten endlich mal Jens tolle Kollaborateure seines Orchesters des Himmlischen Friedens näher kennen lernen durfte, was richtig klasse war). Vor allen Dingen denke ich natürlich an die Handvoll Begegnungen in denen wir bei Kaffee und Wein tatsächlich ein paar Stunden Zeit füreinander hatten. Es waren jedesmal wundergute Treffen, einer geheimnisvollen Seelenverwandtschaft, in denen wir über unsere Musik sprachen, über Kunst, Phillosophie, Theologie und die Ups & Downs unseres Lebens. Über unsere gemeinsame Liebe zu Jesus und zu Johnny Cash und die gemeinsame Irritation über den immer wieder aufpoppenden und nicht tot zu kriegenden christlichen Fundamentalismus. Und auch wenn es nicht viele Treffen dieser Art waren, so überbrückten sie mühelos die Zeit und die KM, die zwischen Hamburg und Frankfurt liegen. Wie gesagt, wundergute Begegnungen der tiefen, einzigartigen Art. Freundschaft eben. Bruderschaft.

Natürlich habe ich sein weiteres künstlerisches Schaffen seit dieser ersten Begegnung im Desastervorzimmer aufmerksam (und vor allem aufmerksamer) verfolgt. Wenn man einen Menschen kennt, hört man ihm ja ganz anders zu. Und wie viel Wonne ist es, einem Jens Böttcher dabei zuzuhören, wie er reift. Als Künstler und als Mensch. So wenig ich mit seinem Schaffen der oben genannten Epoche anfangen konnte, umso mehr überzeugen mich seine Solopfade. Und jedes Album legte hier einen drauf. Was uns endlich zurück zu meinem ersten Satz führt: Jens hat es wieder getan!

Keine Angst, ich mache es jetzt kurz. IV: Revolution ist für mich sein bisher dichtestes Album. Sehr echt, sehr verletzlich. Durchwoben von Tiefsinn und Poesie. Rauem Rock'n Roll und schmachtender Sehnsucht. Abgehtitel tanzen mit folkigem Singer-Songwriting. Und dann ist da natürlich der wundervoll satirisch erste Lagerfeuer-Countrysong "Ich traf Jesus in meinem Stammcafe", bei dem ich am Ende mit Lalalalen durfte (das "Huuh!" ganz am Schluss, das war ich - wenn ich mich recht erinnere :-)). Doch am meisten kann ich von jeher mit der bittersüßen, melancholischen Seite des Böttcher'schen Seelenlebens anfangen. Und Songs wie "der laute Teil der Stille", "4 qm Jazz" (omg - was für ein Titel!) oder "ich denke nicht an dich" fügen seiner bekannten Gabe Schmerzen und Schmerzhaftem etwas Lyrisches, Gnädiges abzugewinnen neue Dimensionen hinzu. Die Antwort ist das Leben. Die Liebe. Gnade. Jenes bangend in eben jene Liebe Gottes tauchen, was Jens immerwiederkehrend in schillernden Farben, Stimmungen und Perspektiven, mal schön und mal verstörend schön besingt, betrauert und umarmt - diese bangende Liebe, von der er weiß und uns erzählt, irritierend schön, rauhbeinig sanft, zerbrochengeflicktauferstandene Liebe. Davon atmet das Album. Das ist seine Revolution. Und auch meine.

Jakob Friedrichs von superzwei


Donnerstag, 26. September 2013

ÜBER IV: REVOLUTION #2


# 2 Liebe Schwestern, Brüder, Mütter, Väter, Cousins ersten bis tausendsten Grades, Schwippschwagers, Bürgerinnen und Bürger, Freundinnen und Freunde. Voller Freude und mit etwas aufrichtiger Rührung räume ich an dieser Stelle mal kurz einer Reihe von wunderbaren Gastbloggern etwas Platz ein. Unsere überaus talentierten Freunde Lorenz Ritter (Werbetexter), Sarah Brendel (Musikerin), Steffen Richter (Journalist), Rainer Buck (Autor), Daniel Monninger (Historiker und Texter) , Jakob Friedrichs (Autor und Comedian) und Jörn Schlüter (Musiker, Produzent, Schreiber für u.a. den Rolling Stone) berichten in vom ihrem ersten Höreindruck betr. unseres neuen Albums „IV:Revolution“, das ab sofort überall erhältlich ist.

Gastblogger heute: Rainer Buck, Jahrgang 1965, lebt mit seiner Familie in der Schillerstadt Marbach am Neckar. Neben der beruflichen Tätigkeit in der kirchlichen Verwaltung schreibt er regelmäßig für verschiedene Medien Beiträge über christliche Kultur und Popmusik. Zudem hat er zwei Romane sowie eine Biografie über Karl May veröffentlicht. Daneben ist er als ehrenamtlicher Prediger in der evangelisch-methodistischen Kirche tätig.

Die Stille danach

Was ist uns ein neues Jens-Böttcher-Album wert? Für "Revolution IV" konnte man Farbe bekennen, in dem man sich bei einer Crowd-Founding-Aktion beteiligte. Und nachdem ich nun die Möglichkeit hatte, mir das vierte Solo-Album von Jens Böttcher kurz vor dem offiziellen Veröffentlichungstermin anzuhören, kann ich sagen, dass da im September 2013 ein Werk das Licht der Welt erblicken wird, auf das alle, die Geburtshilfe geleistet haben, stolz sein können.
Wenn ich "Solo-Album" schreibe, muss ich gleich dazu bemerken, dass der Beitrag der Produzenten Karsten Deutschmann und Henry Sperling und den weiteren Mitgliedern der "Band des himmlischen Friedens" diesmal besonders hoch zu schätzen ist. Im Hintergrund rockt es diesmal ordentlich oder es ist sonstwie für große Abwechslung gesorgt, was einem die Befreundung mit der vielleicht sprödesten Böttcher-Song-Sammlung aller Zeiten ungemein erleichtert. So aber funktioniert das Album zur Not sogar während der Autofahrt.
Um sich freilich der Seele der einzelnen Songs zu nähern, empfehle ich einen intimen Rahmen und konzentriertes Zuhören. Viele Texte haben die literarische Qualität zeitgenössischer Lyrik. Das bedeutet auch, dass sie sich beim ersten Hördurchgang noch gar nicht völlig erschließen. Vielleicht sogar, dass man über geraume Zeit immer wieder Neues in ihnen entdeckt. 
Es gibt auch einige Lieder, die auf Anhieb unter die Haut gehen. Ein besonders fieses Teil ist zum Beispiel der letzte Song „Sie breiten ihre Flügel aus“, ein Abschiedslied, der allen Freunden von Jens deutlich macht, was wir einmal verlieren werden, wenn diese Stimme einmal verstummen wird. Die Stille nach dem letzten Lied hat mich persönlich deshalb am meisten berührt.
Es war jedoch keine leere Stille.
Sie war angefüllt mit der ganzen Liebe, die in allen zuvor gehörten Lieder steckte.
Wieder einmal habe ich das Besondere eines Albums von Jens Böttcher empfunden.

Rainer Buck

Mittwoch, 25. September 2013

ÜBER IV: REVOLUTION #1


Liebe Schwestern, Brüder, Mütter, Väter, Cousins ersten bis tausendsten Grades, Schwippschwagers, Bürgerinnen und Bürger, Freundinnen und und Freunde. Voller Freude und mit etwas aufrichtiger Rührung räume ich an dieser Stelle mal kurz einer Reihe von wunderbaren Gastbloggern etwas Platz ein. Unsere überaus talentierten Freunde Lorenz Ritter (Werbetexter), Sarah Brendel (Musikerin), Steffen Richter (Journalist), Rainer Buck (Autor), Daniel Monninger (Historiker und Texter), Jakob Friedrichs (Autor und Comedian) und Jörn Schlüter (Musiker, Produzent, Schreiber für u.a. den Rolling Stone) berichten in vom ihrem ersten Höreindruck betr. unseres neuen Albums „IV:Revolution“, das ab sofort überall erhältlich ist.



Lorenz Ritter ist Werbetexter. Außerdem schreibt er Zeitungskolumnen und Songtexte und bloggt auf butterplanet.de. Er lebt und arbeitet höchst zufrieden in Hamburg, ist musikalisch von Adam Ant und Joy Division erzogen worden und hat vor etwa 100.000 Jahren mit Jens zusammen Musik gemacht.

Don’t try this at home

Es gibt ja immer wieder Leute, die wissen wie’s geht. Die wissen, was richtig ist und was falsch, und die vor allem einen Plan haben. Einen Plan, wie man alles besser macht, und wie man kämpfen muss und wie man die Revolution anzettelt. Überhaupt: Revolution. Im Namen irgendeiner guten oder großen oder heiligen Sache fließt Blut, und Hütten brennen und Paläste und Menschen verlieren ihren Kopf. Revolutionen beendeten Ungerechtigkeiten und schaffen neue. Sie machen die einen schlauer, die anderen reicher und wieder andere ärmer. Oft die, die schon vor der Revolution nicht besonders viel hatten. Manchmal fegen sie Regimes weg, manchmal schaffen sie Gutes, manchmal schaffen sie Böses, manchmal schaffen sie einfach nur etwas, das nicht besser ist als das, was vorher war, sondern anders. Revolutionen verändern alles Mögliche, nur den Menschen, den alten Blödmann, den haben sie noch nie verändert. Er hat immer noch einen Plan. Er hat immer noch Recht. Er weiß immer noch, wie’s geht. Selbst, wenn alles darauf hindeutet, das nichts mehr geht.

Jens Böttcher und das Orchester des himmlischen Friedens singen auch von der Revolution. Ihre Revolution heißt Liebe, und das ist nicht besonders neu, möchte man sagen. War da nicht was, 1968 in Woodstock? Und ungefähr 1944 Jahre vorher, in Galiläa? Natürlich war da was, und natürlich ist Liebe nicht neu. Gott bewahre! Aber natürlich wirkt sie revolutionär. Das wissen wir. Und natürlich wäre es ziemlich gut, wenn wir wüssten, wie das eigentlich geht: in Liebe zu leben. Zwei Blicke reichen, um das festzustellen: einer auf die Welt und einer auf sich selbst. Doch Jens singt nicht davon, wie die Revolution geht. Er singt davon, wie sie sich anfühlt.

Er singt davon, wie schon dem ersten Moment, in dem man sich entschließt, ihr zu folgen, das Scheitern innewohnt. Wie man sich dennoch geborgen und aufgehoben fühlt. Wie man Zweifeln ausgesetzt ist, wie man zaudert. Wie man sich von der Liebe zurückzieht weil man von der Realität immer und immer wieder eingeholt wird. Wie man in Depression versinken kann. Er singt vom Friedenmachen mit sich und mit der Welt. Er singt von hoffnungsvoller Melancholie, von Erkenntnis und Aufbruch und Überzeugung. Er singt von dem Gefühl, wenn Liebe endet. Von Trauer und Irrwegen, vom Verzeihen und Zueinanderfinden, von Erkenntnis, vom Ankommen und schließlich vom Verlust der Angst. Er singt von einer Liebe, die in jedem dieser Momente da ist.

Dazu spielt das Orchester des himmlischen Friedens so berührend wie auch die Texte sind. Sie spielen, was Arschwackel-Rock, Lagerfeuer-Romantik und Varieté hergeben. Mal breit und opulent mit Streichern und Bläsern, mal klein uns zart mit Glockenspiel und Gitarre. Den Weg, der zur Revolution führt, begleiten sie Schritt für Schritt und Ton für Ton. 17 Lieder dauert er, eines baut auf dem anderen auf, und am Ende führt uns der Weg ins Ziel. Doch wie gesagt, das Album ist keine Handlungsanleitung. Jens beschreibt auf „IV: Revolution“ sehr persönlich, wie sich diese Revolution anfühlen kann. Und das ist tausendmal beeindruckender und berührender als die millionste Verkündung einer revolutionären Wahrheit. Und wunderschön ist es obendrein. Könnte man glatt mal selbst ausprobieren.

Lorenz Ritter

Mittwoch, 18. September 2013


BÖTTCHER-NEWSLETTER SEPTEMBER 2013

VON DER REVOLUTION, DER ERSCHÜTTERUNG UND EINER REISE, DIE SOWIESO NICHT ENDET.

Liebe Freunde,

hier mal wieder ein mittelgroßer Zeilenhügel aus meiner kargen Schreibstube in Himmelherzhausen. Ich bin übrigens selbst erstaunt, dass ich diesen Newsletter in den letzten Monaten so regelmäßig hinbekomme. Und freue mich mit denen unter euch, die ihn gern lesen (und es mich hin und wieder sogar wissen lassen, danke!). Es gäbe so vieles zu schreiben, zu berichten, zu erzählen – und tatsächlich reizt es mich, genau das jetzt zu tun, aber leider fehlt es mir ein wenig an diesem sogenannten Zeit-Ding.:-) Beschränke ich mich also auf das, was mir grad am Wichtigsten erscheint, nämlich euch jetzt voller tiefempfundener Freude zu erzählen, dass es soweit ist! Nach einem Jahr intensiver Arbeit vor und (hauptsächlich) hinter den Kulissen, präsentieren meine Waffelbrüder* und Homies Henry Sperling und Karsten Deutschmann euch die Veröffentlichung unseres neuen Albums „IV: Revolution“. Unser neues Werk ist ab sofort quasi überall erhältlich. Als kleinen Appetithappen ist hier zunächst mal der Link zum ersten Video. Checkt das aus! :-))

JENS BÖTTCHER & DAS ORCHESTER DES HIMMLISCHEN FRIEDENS feat. Dania König „Liebe, Schatten, Angst + Licht“


Wenn euch diese Zeilen erreichen, müsste das Album übrigens nicht nur als Download bei den gängigen, verdächtigen Großkonzernen zum Verkauf stehen, sondern überdies auch als analog-old-schooliges, also ganz und gar haptisches Erlebnis – soll heißen: Die CD kommt im plastikfreien Digipack daher, mit einem schönen 24seitigen Booklet, das unser Freund und Künstlerbruder Jochen Schultheis aus Stuttgart wieder so famos gestaltet hat, dass ich fast geneigt bin, euch zu raten, euch nochmal mit eurem schnellen Download-Kaufklick-Finger zu unterhalten und statt der MP3-Version doch die Coffeetable-Variante zu erwerben. Für den Fall, dass ihr reinhören mögt, ist hier vorab mal der Link nach Amazonien – da könnt ihr schon mal Snippets von allen 17 Songs lauschen …



Zum Thema Amazon, Itunes, Mediamarkt etc. dann noch schnell dies: Wir alle haben ja die Chance, unsere Lieblingskünstler und Lieblingsshops zu unterstützen, indem wir ihre Werke direkt bei ihnen oder im „kleinen Laden umme Ecke“ kaufen. In Hamburg gibt es das „IV:Revolution“-Album beispielsweise auch in der Evangelischen Buchhandlung Holstenstraße. Und natürlich könnt ihr auch direkt bei uns bestellen. Kurze Mail an info@gentleart.de genügt, wir schicken euch dann gern ein Album per Post und mit Rechnung zu (15€ zzgl. Versand). Auch die EP „IV:Revolution #2“ mit 6 weiteren Songs könnt ihr direkt bei uns ordern (als Papersleeve-CD für 10€ oder als 12“ Vinyl für 15€).

Und diese kleine Bemerkung über Amazon & Co bringt mich jetzt ohne viele Schleichwege und ziemlich direkt zum Eigentlichen. Das Album heißt ja nicht grundlos „Revolution“. Oh, bevor ihr weiterlest - dieses kleine Filmchen sagt vielleicht mehr über die Intention, als ich jetzt hier in wenigen Worten vollbringen kann.

EPK- IV: Revolution.

Zur Vertiefung vielleicht noch dies: Die Revolution, um die es also geht, ist keine, die irgendwen auf die Barrikaden treiben soll und sie hat nicht mit Gewalt zu tun, sondern mit Sanftmut. Es ist eine, die nach innen zielt - eine, bei der es um die Bereitschaft geht, das was man selbst glaubt und oft auf bizarre Weise für „richtig“ hält, einer Prüfung zu unterziehen und den Mut aufzubringen, kurz innezuhalten und anzuschauen, was in uns allen eigentlich schiefgeht.

Es ist eine Revolution, bei der es keine Feindbilder gibt, weil Feindschaft an sich schon Teil des Problems ist, das die meisten von uns ganz offensichtlich haben (der hier Schreibende jedenfalls hat damit persönliche Erfahrungen). Und sei es nur die Feindschaft zu einem Teil von uns selbst (der hier Schreibende jedenfalls hat damit persönliche Erfahrungen) ;) Die Revolution, von der ich also hier rede (und normalerweise eher singe), ist eine, die nicht mit äußeren Aktivitäten, nicht mit Religionen, nicht mit den „richtigen“ Parteien und Systemen, nicht mit Gutmenschtum, nicht mit Zynismus, nicht mit Selbstgerechtigkeit, nicht mit durch „Wachstum“ (Argh, ich kann das nicht mehr hören!!) und Habgier motiviertem Krieg, nicht mit erpresstem Frieden, weder mit happy-go-lucky-Frömmigkeit noch mit unhappy-go-Drogensucht-Fatalismus zu erreichen ist. Diese Revolution hat NUR mit uns selbst zu tun ; irgendwo da unten in unseren Seelen, unserem Geist, wie immer man es auch nennen mag, wartet die Antwort auf eine Frage, die wir normalerweise nicht zu stellen wagen. Dass diese Revolution deshalb nicht im handelsüblichen Sinne „funktionieren“ kann, ist übrigens von vornherein klar. Sie lässt sich nicht organisieren und nicht strukturieren. Und sie ist keine Mission, schon gar nicht bin ich dabei ein Missionar (ich sitze dabei im Glashaus und habe für einen Moment meine Steine gegen Wattebäuschchen eingetauscht). Es ist eine Revolution, die sich gegen die Angst wendet, indem sie die Angst umarmt. Und es gibt überhaupt einen verdammt guten Grund dafür, dass wir Angst haben, an eben den inneren Ort zu gehen, an dem sie überhaupt erst beginnen kann, die vermeintliche Umkehr. Da wartet etwas sehr Ungewohntes, etwas, von dem wir annehmen müssen, dass es uns etwas Furchtbares antun könnte, ein Nichts, das womöglich aber auch ein „Alles“ ist – ein Alles wiederum, das dann ganz plötzlich womöglich aber gar nicht mehr aus Angsteinflößendem besteht, nicht mehr aus dem unbarmherzigem Leistungsdruck, nicht mehr aus der vielfältigen Bestrafung, die wir alle bereits erlebt und erspürt haben und auf deren Ritualisierung wir alle uns immer wieder verlassen (und wieder: das geht von Religion bis X).

Was aber wäre, wenn an diesem Ort, in diesem Nichts, diesem Alles, ungeahnte Gnade auf uns wartet? Eben nicht außen, sondern innen. Eine Liebe, die in der Stille beginnt und im Getöse einer ausgelassenen, sturzfreudetrunkenen Friedensparty endet? Für den Moment. Vielleicht nur für einen Moment. Vielleicht auch für länger. Wer weiß es? Ich nicht. Ich war bislang immer nur zu Besuch dort, obwohl ich doch so sehr und fest daran glaube, dass es mein Zuhause ist.

Auf dem Revolution-Album geht es ausschließlich um diese endlose Reise nach innen. Und eigentlich geht es dabei auch nicht um das Ankommen, sondern um das Unterwegssein. In all dem: geht’s in den Songs um Liebe, um Glauben, um Verrat, um Lügen, um Ehrlichkeit, um Dunkelheit, um Schmerzen, um Schweres und Leichtes, um Vergebung, um Gnade, um lähmende Angst, um die befreiende, unvergleichliche Poesie und die Tragik des Liebens, um das Reisen und das Ankommen – und um das, was uns alle schützt und hält. Es geht um eine tiefe Erschütterung in uns selbst, die uns überraschenderweise nicht (!) in die Psychiatrie führt, sondern wenigstens in die temporäre Nähe, in die Grenzgebiete des inneren Friedens. Und darum, wie es sich anfühlt, nicht länger Recht haben zu wollen.

Und darum, wie es sich anfühlt, wenn man sich nicht mehr fragen muss, ob es ein Leben nach dem Tod gibt, sondern ob es ein Leben vor dem Tod gibt.

***

Und zum Schluss wie immer meine Zitate des Monats... :-))

There are only so many people you can carry in your small boat before their weight sinks you. A hundred you can carry whom you love. But barely one you wish to harm.“
(Hafiz)

Wisdom ceases to be wisdom when it becomes too proud to weep, too grave to laugh and too selfish to seek other than itself“
(Gibran)

Zimmerservice? Schicken Sie mir bitte ein größeres Zimmer hoch.“
(Groucho Marx)

Danke für eure Mails, eure Kommentare, eure Geschichten und eure Freundschaft. Wir sehen uns auf Tour oder sonstwo. :-)

Pax y'all :-)
jens


* Obacht, das war kein Tippfehler, eher eine spontane Hommage an den frühen Woody Allen („Vorsicht, er trägt eine Waffel.“) :-)

Mail an Jens via boettcher@boettchercom.de
Facebook (Jens Böttcher oder Paco de Luca)

Alben
Himmelherz (2005)
Reisefieber (Doppelalbum 2007)
Viva Dolorosa (2010)
Anklagend Schweigend Rosenrot (Lyrik-Album 2012)
Am Ende des Tages (Songauswahl, 2012)
IV: Revolution (2013)

Bücher
Steiner (2007)
Der Tag des Schmetterlings (2009)
Interview mit dem Teufel (2011)