Liebe
Schwestern, Brüder, Mütter, Väter, Cousins ersten bis tausendsten
Grades, Schwippschwagers, Bürgerinnen und Bürger, Freundinnen und
Freunde. Voller Freude und mit etwas aufrichtiger Rührung räume ich
an dieser Stelle mal kurz einer Reihe von wunderbaren Gastbloggern
etwas Platz ein. Unsere überaus talentierten Freunde Lorenz Ritter
(Werbetexter), Sarah Brendel (Musikerin), Steffen Richter
(Journalist), Rainer Buck (Autor), Daniel Monninger (Historiker und
Texter) , Jakob Friedrichs (Autor und Comedian) und Jörn Schlüter
(Musiker, Produzent, Schreiber für u.a. den Rolling Stone) berichten
in vom ihrem ersten Höreindruck betr. unseres neuen Albums
„IV:Revolution“, das ab sofort überall erhältlich ist.
Heute schreibt: Jakob
Friedrichs - Autor, Künstler, Paar- und Konfliktberater, Theologe
und Prediger. Er arbeitet als "Referent für Popularmusik und
neue Spiritualität" bei der EKHN und verschönert die Bühnen
dieser Welt mit dem hessischen Musik-Kirchenkabarett superzwei
(früher nimmzwei). Neben seinen vielfältigen geistlichen und
künstlerischen Aktivitäten schaut er am liebsten Filme oder
philosophiert über ein zeitgemäßes Christentum. (Kontakt:
jakob@superzwei.de)
IV:Revolution
- Stationen einer Freundschaft (Eine Liebeserklärung)
Er
hat es wieder getan...!
Es
gibt Menschen, die begleiten einen. Selbst wenn man sie nicht oft
sieht.
Ich
kenne Jens Böttcher seit nunmehr 8 Jahren. Genau genommen, seit dem
2. Juli 2005. Ich weiß das Datum noch so genau, weil an diesem Tag
das Weltumspannende Rockfestival Live 8 unter dem tollen Motto "Make Poverty History" gleichzeitig
in 10 großen Städten auf der ganzen Welt stattfand. In Deutschland
an der Siegessäule in Berlin mit 200.000 Zuschauern. Und wir waren
mit superzwei auf dem Weg - nein, nicht dahin, schön wär's gewesen ;-) - sondern
nach Hamburg, um dort in einer Pfingstgemeinde aufzutreten. Es sollte
übrigens eines der desaströsesten Konzerte in der ganzen nimmzwei/
superzwei Geschichte werden, aber das wussten wir noch nicht, als wir
auf der Autobahn gebannt Bono im Radio lauschten, wie er in London
mit dem Beatlesklassiker "Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band"
Live 8 eröffnete.
Wie
gerne wäre ich selber in London oder Berlin dabei gewesen. Und wenn
schon nicht on-stage (als unbedeutender christlicher Comedian kann
man auch nicht alles vom Leben verlangen, was?), dann doch wenigstens
davor. Live dabei. Radio ist eine lausige Alternative (vielleicht wie
diese 70er Jahre Sexfilmchen von Oswalt Kolle im Vergleich "to the real thing" - aber egal, ich schweife ab. Denn im Nachhinein bin ich froh, weder
in London noch in Berlin vor oder auf der Bühne gestanden zu haben.
Sogar unser eigenes Konzertdesaster dieses Abends nehme ich dankbar
in Kauf (und es war ein Desaster ohne Gleichen: Die, äh, richtige
Band am falschen Ort, nehme ich an; gefühlte Horden von 60 -
120-jährigen, die 15 Minuten nach Beginn unseres Konzertes begannen
kopfschüttelnd den Saal zu verlassen, vielleicht weil sie Lobpreis
oder Manfred Siebald oder wenigstens den Anton aus Tirol erwartet
hatten, aber ganz sicher die Begriffe "christlich" und
"Satire" in einem Atemzug für eine blasphemische
Kontradiktion hielten - wie auch immer, wir spielten jedenfalls den
Saal nahezu leer... Wenn ich Desaster schreibe, meine ich Desaster!).
Während überall auf der Welt Millionen von Menschen miteinander für
die Abschaffung der Armut rockten, verwaisten wir auf einer
pfingstlichen Bühne... Aber ich bin froh an diesem Ort gewesen zu
sein und nicht an einem der jenen. Warum? Weil ich sonst diesen
seltsamen Herren mit Gangsterhut und Springerstiefeln nicht
kennengelernt hätte, der da in unsere Gebetszeit vor dem "Auftritt"
platzte, auf mich zuschlappte und "ich bin übrigens der Jens"
nuschelte.
Das
war jetzt wahrscheinlich die längste Hinführung zu einer
Freundschaft, die je geschrieben wurde, was? Wobei, wer regelmäßig
die famosen Newsletter des Herrn Jens Böttcher liest, weiß, dass
ich mich in guter Gesellschaft befinde ;-) Dort begab es sich also.
Am 2.7.2005. Im Hamburger Vorzimmer des Desasterkonzertes
schlechthin. Mir war jedenfalls sofort klar, dass hier ein Typ stand,
den ich auf keinen Fall wieder verlieren wollte. Und das obwohl mir
seine CDs der rosenbrock+böttcher-Ära, die ich immerhin schon mal gehört hatte, gar nicht so recht
zusagten (das war mir alles zu over-the-top-christlich und
"kanaanäisch"... Sorry, Jens, ich hoffe, du nimmst mir das
jetzt nicht übel ;-)).
Aber
so geschah es. Wir blieben in Kontakt. Manchmal gemailt, ab und an
telefoniert und uns seitdem vielleicht 6 oder 7 mal getroffen. Das
ist nicht oft. Einmal davon hat der gute Jens superzwei als Laudator
auf der Promikon einen Preis überreicht. Und ein weiteres Mal haben
wir gemeinsam unter seiner Regie das Video zu seiner famosen
Coverversion unseres "Ich laufe, ich falle" gedreht. Aber das waren eher "Buisnessmeetings" (wobei ich
beim letzten endlich mal Jens tolle Kollaborateure seines Orchesters
des Himmlischen Friedens näher kennen lernen durfte, was richtig
klasse war). Vor allen Dingen denke ich natürlich an die Handvoll
Begegnungen in denen wir bei Kaffee und Wein tatsächlich ein paar
Stunden Zeit füreinander hatten. Es waren jedesmal wundergute
Treffen, einer geheimnisvollen Seelenverwandtschaft, in denen wir
über unsere Musik sprachen, über Kunst, Phillosophie, Theologie und
die Ups & Downs unseres Lebens. Über unsere gemeinsame Liebe zu
Jesus und zu Johnny Cash und die gemeinsame Irritation über den
immer wieder aufpoppenden und nicht tot zu kriegenden christlichen
Fundamentalismus. Und auch wenn es nicht viele Treffen dieser Art
waren, so überbrückten sie mühelos die Zeit und die KM, die
zwischen Hamburg und Frankfurt liegen. Wie gesagt, wundergute
Begegnungen der tiefen, einzigartigen Art. Freundschaft eben.
Bruderschaft.
Natürlich
habe ich sein weiteres künstlerisches Schaffen seit dieser ersten
Begegnung im Desastervorzimmer aufmerksam (und vor allem
aufmerksamer) verfolgt. Wenn man einen Menschen kennt, hört man ihm
ja ganz anders zu. Und wie viel Wonne ist es, einem Jens Böttcher
dabei zuzuhören, wie er reift. Als Künstler und als Mensch. So
wenig ich mit seinem Schaffen der oben genannten Epoche anfangen
konnte, umso mehr überzeugen mich seine Solopfade. Und jedes Album
legte hier einen drauf. Was uns endlich zurück zu meinem ersten Satz
führt: Jens hat es wieder getan!
Keine
Angst, ich mache es jetzt kurz. IV: Revolution ist für mich sein
bisher dichtestes Album. Sehr echt, sehr verletzlich. Durchwoben von
Tiefsinn und Poesie. Rauem Rock'n Roll und schmachtender Sehnsucht.
Abgehtitel tanzen mit folkigem Singer-Songwriting. Und dann ist da
natürlich der wundervoll satirisch erste Lagerfeuer-Countrysong "Ich
traf Jesus in meinem Stammcafe", bei dem ich am Ende mit
Lalalalen durfte (das "Huuh!" ganz am Schluss, das war ich
- wenn ich mich recht erinnere :-)). Doch am meisten kann ich von
jeher mit der bittersüßen, melancholischen Seite des Böttcher'schen
Seelenlebens anfangen. Und Songs wie "der laute Teil der
Stille", "4 qm Jazz" (omg - was für ein Titel!) oder
"ich denke nicht an dich" fügen seiner bekannten Gabe
Schmerzen und Schmerzhaftem etwas Lyrisches, Gnädiges abzugewinnen
neue Dimensionen hinzu. Die Antwort ist das Leben. Die Liebe. Gnade.
Jenes bangend in eben jene Liebe Gottes tauchen, was Jens
immerwiederkehrend in schillernden Farben, Stimmungen und
Perspektiven, mal schön und mal verstörend schön besingt,
betrauert und umarmt - diese bangende Liebe, von der er weiß und uns
erzählt, irritierend schön, rauhbeinig sanft,
zerbrochengeflicktauferstandene Liebe. Davon atmet das Album. Das ist
seine Revolution. Und auch meine.
Jakob
Friedrichs von superzwei
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