Sonntag, 10. November 2013

ÜBER "IV:REVOLUTION" #7


Zum Abschluss der kleinen Gastblogger-Serie zum neuen Album "IV:Revolution" schreibt hier und heute der großartige Jörn Schlüter, den ich seit Jahren sehr schätze und bewundere - sowohl als Musikrezensent beim Rolling Stone Magazin, als auch ganz besonders als Songschreiber (und zwar schon seit ich vor mehr als zehn Jahren erstmals über seine berührenden Kompositionen staunen durfte). Checkt Jörns Stoff mal aus, Homies. :-) j.



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Jörn Schlüter ist der Sänger und Gitarrist der Bremer/Hamburger Band Someday Jacob und schreibt für das Rolling Stone Magazin. Er lebt in Bremen. 

Jazz und feuchte Straßen

In einem Lied auf Jens großartiger, bewegender, himmelhochjauchzender und wehmütiger neuer Platte hat ihm eine Frau die Seele verdreht, und er versteht die Welt nicht mehr. Das ist das Schöne an Jens und seiner Poesie, dass er die Welt nicht versteht (jedenfalls nicht ganz) und keine Antworten hat (jedenfalls nicht auf alles). Leute, die auf alles eine Antwort haben, sind schrecklich, man muss sich vor ihnen in Acht nehmen.

Vielleicht sieht Jens das genauso. Jedenfalls ist sein Sehnen, Summen, Lieben und Flehen tief ins wahre Leben getunkt und so unmittelbar, dass man es ganz direkt am eigenen Leib erfährt, siebzehn Lieder lang. Es steckt Glaube, Liebe und Hoffnung in ihnen, aber auch und ein Gefühl von Abschied und Tod. Jens ist natürlich der Mann in Schwarz, dessen Halleluja gleichzeitig gebrochen ist und ewig leuchtet. Wie war das doch gleich mit dem Riss im Herzen, durch den das Licht fällt? Lieber einen solchen Riss, als immer im Dunkeln sitzen.

Es ist ein paar Jahre her, da stehe ich mit Jens in einer Kneipe in Bremen, es ist wohl Karfreitag. Eine Stunde noch bis zum Auftritt, ein Gespräch über Gnade, Schmerz und noch ausstehende Heilung, wir sehen die Dinge ähnlich. Insbesondere die fromme Welt hat manchmal Mühe mit Zwischenlösungen, Zweideutigkeiten und dem Schon-jetzt-aber-noch-nicht-ganz. Jens nicht. Danke dafür, mein Freund.

Irgendwo schreibt jemand ein Gedicht, das uns zu Tränen rührt. Bei dem Lied „Liebe, Schatten & Licht“ singt Dania König, das ist auch so ein Mensch, der Zerbruch erlebt hat und umso mehr ewige Hoffnung im Herz hat. Wir hören ein wunderschön trauriges, aufwühlendes, wahrhaftiges und poetisches Duett. Die Poesie! In ihr erkennt man die Wahrheit besser als überall sonst. Kurz davor kommt auf der Platte „Gelobtes Land“, ein dunkles Lied mit einem rätselhaften Text. Die Gedanken kleben tot an der Wand, um halb Acht fährt der Zug ins gelobte Land: Vielleicht wird hier von einem sehr dramatischen Moment erzählt, den Jens vor einer Weile erleben musste. Bin ich froh, dass du noch bei uns bist.

In einem Zeitungsartikel schrieb kürzlich jemand, er sei überrascht gewesen, mit wie viel freundlicher Offenheit dieser zunächst dunkel wirkende hobo auf die Menschen zugehe; in einem anderen Text ist von der „therapeutischen Aura“ seiner Konzerte die Rede. Leute! Spiritualität, Heilung für die Seele, sich selbst verschenken lernen, darum geht es.

Wie mächtig die Liebe in diesen Liedern ist. Sie steckt genauso in ihnen wie der Punk und der alte Gospelfolk, der seine Wurzeln nicht nur in Amerika hat. Das darf man nicht vergessen, wie gut diese Musik komponiert wurde und wie fabelhaft rumpelnd sie gespielt wird.

Jazz und feuchte Straßen, Gnade und Engelsflügel, Jesus und sein Stammcafé: ein Segen, dass es die Platte gibt.

Jörn Schlüter

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