VON VOLLIDIOTENBANDEN, DER ANGST, DER LIEBE UND DEM TIEFSEHTAUCHEN
BÖTTCHER-Newsletter
3/2015
Liebe
Freunde,
als
Prolog eine kurze Apologie: nun habe ich ja schon einige Male
Besserung gelobt, was das regelmäßige Schreiben meiner Blogs und
Newsletter angeht – ich mach das jetzt hier mal lieber nicht
nochmal, sondern gebe stattdessen mit verbliebener Restlässigkeit zu
Protokoll, dass mein Leben im vergangenen Jahr nochmal eine Spur
voller geworden ist, als es ohnehin schon war. Deshalb, nebenbei,
ganz formlos, aber mit Vehemenz: Schulligung, wenn es mittlerweile
mal deutlich länger dauern kann mit dem Mailbeantworten und so. Ich
freue mich aber weiterhin riesig über eure Zeilen, Briefe,
Ermutigungen und Lebensgeschichten. Nur wächst mir mittlerweile der
Berg zuweilen etwas über die Frisur. Trotzdem: Thx!! Eure
Anteilnahme an meinen und unseren Werken und Worten ist sowohl für
mich als auch für uns als Band sehr erbaulich. Es fühlt sich
wirklich schön an, zu wissen, dass mit vielen von euch eine echte
Herzensverbindung besteht. :-) Und all eure guten und lieben Worte
ermutigen uns wirklich sehr, diesen oft doch recht steinigen Weg als
„Künstler zwischen den Stühlen“ weiterzugehen.
Bevor
ich gleich zu den wichtigen News aus meinem Arbeitsstübchen hier in
Himmelherzhausen komme, noch eben – und zwar dem eigenen inneren
Widerstand zum Trotze, dass ich mich damit in die Schlange derer
einreihe, die sich ungefragt zu Themen äußern, die längst unter
Worten, Thesen und Theorien begraben scheinen - ein kurzes Statement
zur Lage der Nationen, Herzen, Seelen – das dem überall
publizierten vielleicht, hoffentlich, eine ungewohnte Zutat
beimischen kann.
Es
geschieht so vieles da draußen, was mit „beängstigend“
eigentlich noch sehr mild umschrieben ist. Die Welt scheint mehr und
mehr durchzudrehen. Überall wachsen Misstrauen und Ängste, gedeihen
Ohnmacht und Orientierungslosigkeit auf dem Nährboden von Kriegen,
Terror, Währungskrisen und sonstiger finanzieller und seelischer
Unsicherheit. Aber damit lange nicht genug: Das alles schafft ein
(wenn auch langsam und irgendwie diffus-wachsendes) Bewusstsein
dafür, dass wir längst alle nicht mehr
nicht-nur-nicht-mehr-verstehen-können, was um uns herum eigentlich
passiert und
wer-eigentlich-welches-Geschick-welcher-Individuen-oder-gar-Nationen-wohin-lenkt,
sondern dass die meisten von uns einfach das Gefühl nicht mehr
loswerden, es würde System (sic) hinter all dem florierenden Gehetze
(sic) stecken. Mittlerweile kommen ja nicht mal mehr überzeugte
Verschwörungstheorie-Allergiker gegen das Unwohlsein an, das allein
durch die Tatsache entsteht, dass es die alten Bilder von „gut“
und „böse“ nun definitiv nicht mehr gibt. In meinem Herzen
jedenfalls bewegt sich was.
Der
kürzlich veröffentlichte Bericht über die von der US-Regierung
initiierte oder wenigstens abgenickte Folter in Guantanamo ist ja
nicht nur ekelerregend, unfassbar und jenseits aller Vorstellungen
erschreckend. Er sollte nun auch den letzten wohlmeinenden und sich
nach klaren Weltordnungen sehnenden Gut- und Schwarzweiß- und
Musikantenstadl- und Evangelikal-Christenmenschen in unserem
kuscheligen „Abendland“ zu der Erkenntnis aufwachen lassen, dass
die ehemals vermeintlich guten Weltenretter längst die Seite
gewechselt haben (sofern sie überhaupt je auf der „anderen“
waren) und das ganze Gefasel von „Moral“ und der „Wahrung der
christlichen Werte“ schon lange nichts weiter ist, als zynischer
Hohn. Oder auch Realität. Leider ist diese Art von Seelendunkel ja
durchaus ansteckend - siehe die Ansammlungen von eskalierender
Dummheit - wie etwa diese haarsträubende und an Fremdschämpotential
(und das trotz Dschungelcamp!) nicht zu überbietende Pegida. Es
scheint ein Punkt erreicht, an dem „Recht haben“ wohl definitiv
nicht mehr reicht. Zumal es darum ja auch gar nicht geht. Weil
natürlich sowieso keiner Recht hat. Die Menschen haben nicht recht,
sondern Angst. Und wenn Menschen Angst haben, machen sie die
allerdämlichsten Sachen.
Mir
kommt es längst vor, als würde man auf einem albtraumhaften
Schulhof die Kämpfe verschiedener konkurrierender, gewalttätiger
Vollidiotenbanden beobachten, die sich gegenseitig die Köpfe mit
Steinen einwerfen. Links stehen die, die beim Feuern der
Wurfgeschosse laut „Wachstum ist alternativlos! Ein Hoch auf die
christlichen (?) Werte! Die Moral! Rache für unsere Toten“ rufen –
rechts jene, die mit „Terror! Euer Unglaube zerstört die Welt!
Gebt uns außerdem endlich mal was von dem großen Kuchen ab! Und
Wasser! Und, ach ja!, Rache für unsere Toten!“
zurückbrüllen.
Beide
Seiten morden nun, vergewaltigen, brandschatzen, zerstören,
bombardieren. Beide Seiten entwürdigen täglich das, was aus dem
Menschsein womöglich längst hätte werden können oder sollen –
die Fähigkeit, andere wirklich zu sehen, zu verstehen (auch Empathie
genannt), daraus sich ergebend: die Fähigkeit zum Dialog und ein
Blick dafür, dass so viele Bedürfnisse viel zu vieler Seelen auf
dieser Welt ungestillt sind. Blöderweise ist das Egozentrik-Problem
nun nicht exklusiv bei den immer-ach-so-bösen-Oberen,
Tuscheltuschel-Illuminaten und Regierungsstrategen, sondern auch in
den Herzen derer, die immer noch nichts besseres mit dem Überschuss
ihres fleißig erarbeiteten Beamten- oder Managergehalts anzufangen
wissen, als es zu Silvester einfach in fünf Meter Höhe über ihrem
Doppelcarport zur Explosion zu bringen. Das Problem ist in unser
aller Herzen (=verdammt nochmal) Wir sind die, die Menschen
verhungern und verdursten lassen, wir sind die, denen immer noch
lethargische Grausamkeiten wie „Tja, da kann man nix machen“ über
die Lippen kommen. Aber die Zeit wird wohl kaum kommen, in der „es“
auf wundersame Weise für uns getan wird – dieses berühmte
Umdenken hin zu einem Wandel des wirklich „menschlichen“. Na
gut, bevor ich hier nun gedanklich völlig eskaliere, verweise ich
lieber kurz auf mein jüngstes Buch „Interview mit dem Teufel.“
:-) (ohne finanzielles Interesse übrigens – ganz ehrlich, dafür
sind meine Buchdeals einfach zu schlecht).
Nur
dies noch: Nach der Zerstörung der World Trade Center in New York am
11/9/2001 (von wem auch immer!) gab es ein Statement vom Dalai Lama,
das ich nie vergessen habe. Er sagte sinngemäß, dass die
„christliche Welt“ eine einmalige Chance gehabt hätte, diesen
Planeten auf den Weg zur Heilung zu bringen – unter Aufwendung
dessen, was die „christlichen Werte“ nämlich wirklich ausmacht:
Vergebung, Barmherzigkeit, Nächstenliebe, Bereitschaft zu Teilen.
Die Bergpredigt. Stattdessen - wissen wir ja alle - machte sich der
damalige Präsident des wilden Westens auf und schickte
Hunderttausende eigener „christlicher“ Soldaten zur Rettung des
„Guten“ los, um den Tod von 3000 Amerikanern mit 500.000 Toten zu
sühnen, die zufällig in jenen Ländern auf Heilung der Welt und
ihrer Seele warteten, die seither als zur „Achse-des-Bösen“
zugehörig galten. Und bis heute, an jedem einzelnen Tag, wird
irgendwo irgendein Familienvater, irgendein Baby, irgendeine
arabische Mama von einer amerikanischen Drohne getötet. Oh Gott,
nein, um Himmels Willen, das ist natürlich keine Rechtfertigung für
diese Horden von komplett-irren Gehirn- und Seelentoten, die im
„Namen Gottes“ (wie übrigens auch schon George W.Bush damals)
ihren eigenen Wahnsinn über die Welt kommen lassen, wie eine
in-allen-heiligen-Schriften-befürchtete Plage. Es zeigt nur, siehe
oben, nd mehr will ich hier ja gar nicht sagen, dass es eben beides
gewalttätige Vollidiotenbanden sind. Wo ist denn nun die Achse des
Bösen, wenn nicht gespannt um die ganze Welt? Und mitten in
diesem Ascheregen aus monumentaler Rechthaberei stehen wir und posten
stolz „Je suis Charlie“. Und gehen gleich anschließend unsere
Neuwagen wienern. Und feuern, falls es uns überhaupt interessiert,
die „gute“ Seite an, welche auch immer es ist, auf jeden Fall
jene, die unseren individuellen Bedürfnissen eine Stimme gibt –
eben im Kampf GEGEN etwas, das uns ängstigt.
Aber
wenn nun auch die Zeit nicht auf Engelsflügeln angesegelt kommt, in
der sich das alles über Nacht zum Guten wendet – so ist doch
wenigstens die Zeit gekommen, es anzuschauen, es wenigstens im
stillen Abendgebet beim Namen zu nennen – und sich von den
gewalttätigen, geifernden, spuckenden Vollidiotenbanden auf dem
Schulhof innerlich abzuwenden. Für das eigene Herz zu wählen, nicht
mehr Teil dieses Irrsinns sein zu wollen.
Wir
haben bei uns in der Band vor einigen Jahren beschlossen, unsere
Kraft nicht mehr „gegen“ Dinge zu investieren, sondern „für“
etwas. Für uns ist das ein guter Weg geworden. Klappt nicht immer,
aber die Richtung kommt uns ziemlich vernünftig vor. Ich glaube
sogar mittlerweile, dass es der einzige Weg ist, den wir alle derzeit
mit Blick auf eigenen inneren Frieden gehen könn(t)en. Es läge
kollektive Kraft darin, der verängstigten Schwachköpfigkeit zB
Pegidiens damit zu begegnen, die Gründe der Angst in den Herzen zu
erkennen, zu versuchen, den vielen Mitläufern diese Angst zu nehmen,
indem man ihnen Würde zusagt und sie diese Würde sogar spüren
lässt. Gleiches gilt für die sogenannten Islamisten (nicht jene,
die bereits für IS kämpfen, aber jene, in denen gerade der Gedanke
wächst, es eines nahen Tages zu tun). Und gleiches gilt ebenfalls
für die Geschundenen, die Abgelehnten, die Entwürdigten in unseren
(angeblichen) Sozial- oder auch Hartz-IV-Systemen, für die
(vermeintlich oder tatsächlich) psychisch Kranken, für die
Verlorenen, die Heimatlosen, die Armen, die Kranken, die Betrunkenen,
die Wütenden, die Gescheiterten, die stets Abgelehnten. Natürlich
klingt ein Satz wie der folgende, aus dem Kontext gelöst und
vogelfrei zitiert, wie tief aus der übelsten Kitschkiste gegriffen,
aber vielleicht ist es gerade drum so wichtig, den Mut aufzubringen,
ihn auszusprechen: Es gibt nichts anderes, was diese Welt auf einen
Weg der Heilung bringen würde, als das, was Jesus das „höchste
Gebot“ genannt hat. Liebe. Nichts, was wirksamer wäre, als die
Entdeckung der Liebe in unseren eigenen Herzen. Liebe als Konsequenz.
Als bewusster Weg. Ich glaube ja fest daran, dass sie, die Einzige,
der zu folgen wirklich lohnt, deutlich ansteckender ist, als die oben
erwähnte Dunkelheit. Und dass sie, trotz ihrer vermeintlichen
Stille, doch stets lauter sein wird, als jeder Raketeneinschlag. Ganz
besonders in der Summe. Und wenn es auch derzeit unmöglich scheint,
zB eine Partei zu wählen, die eine solche Entscheidung unterstützen
würde oder gar im Programm hätte, so bleibt doch am Ende die
Ausrede schal, „es“ wäre für uns alle persönlich unmöglich
gewesen. Make. Love. Not. War.
***
Herzlichen
Glückwunsch an alle, die sich durch diesen Gedankenerguss bis zu
dieser Stelle vorgearbeitet haben. :-) Hier also endlich News und
Updates zu meinem und unserem künstlerischen Schaffen.
TIEFSEHTAUCHEN
Für
all von euch, die es bislang verpasst haben. Henry, Karsten und ich
produzieren seit einem guten halben Jahr das TV-Format
„Tiefsehtauchen“, bei dem ich die Ehre habe, einige wunderbare
sinnsuchende Menschen zu ausgiebigem
Anti-Oberflächlichkeits-Blah-Blah begrüßen zu dürfen. Ihr könnt
das alles bei Bibel TV im Fernsehen anschauen (immer samstags 1830h
und sonntags 2330h) oder auf unserem Tiefsehtauchen-Kanal bei
YouTube. Die erste Staffel läuft gerade in Wiederholung. In der
allerersten Folge stelle ich unsere bescheidene Kunst etwas vor,
Gäste danach waren Johannes Falk, Dania König, Eugen Drewermann (2
Folgen) und Sarah Brendel.
Wenn
ihr mögt, klickt mal hier:
Die
zweite Staffel ist nun abgedreht und wird dieser Tage in unserem
Schneideraum frisiert und aufgehübscht– Gäste der kommenden
Episoden sind u.a. Laith Al-Deen, 2 Flügel, Peter Godzik, Eugen
Drewermann (wir haben zwei weitere Folgen mit ihm produziert),
Siegfried & Christer Tepper, Sven Böttcher und Jakob „Jay“
Friedrichs. Unterstützt wird „Tiefsehtauchen“ großartigerweise
weiterhin von der Firma Hartmann Elektrotechnik aus Hamburg und ganz
besonders durch deren Chef Willi Neumann und seine Familie, sowie von
Bibel TV.
Und
von euch! Wir sind dankbar für die vielen positiven Rückmeldungen!
Und wir freuen uns sehr auf alles, was wir da noch produzieren und
aushecken dürfen.
SENDESTART
DER ZWEITEN STAFFEL IST SAMSTAG, 18.04.2015 AUF BIBEL TV UND IN DER
YOUTUBE.
NEUES
ALBUM
Ich
habe schon eine ganze Reihe von neuen Songs für unseren Nachfolger
von „IV:Revolution“ geschrieben und bin weiter fleißig dabei.
Wenn alles nach Plan läuft, werden wir im Frühsommer mit den
Aufnahmen beginnen und zur geplanten Tour im Herbst ein neues Album
im Gepäck haben. Ich hoffe sehr, dass es klappt. Und es fühlt sich
grad beim Schreiben so an, als gäbe es reichlich Gründe und Stoff,
den „Revolution“-Gedanken auf vielen Ebenen weiterzuspinnen
(siehe oben, siehe überall). Das Orchester des himmlischen Friedens
wird natürlich wieder dabei sein, genau wie einige besondere Gäste.
Mehr Details demnächst.
TOUR
IM HERBST
Danke
für eure vielen Nachfragen diesbezüglich! Wir werden im Herbst
wieder in Deutschland, Schweiz und womöglich auch wieder in
Österreich touren. Termine werden wir im Sommer bekanntgeben. Wer
von euch gern ein Hauskonzert o.ä mit uns veranstalten möchte:
Schreibt uns gern eine Mail an post@tiefsehtauchen.de
EXTRA
3
Henry,
Karsten und ich schreiben, sprechen uns produzieren weiter
wöchentlich unsere kleine Miniserie „Neulich im Bundestag“ beim
TV-Satiremagazin Extra3. Schaut gern mal in der YouTube rein:
https://www.youtube.com/watch?v=OEMLIPxHgTw
:-))
Und
dann noch, wie üblich, meine Zitate des Tages, äh, Monats, äh...
“We
are buried beneath the weight of information, which is being confused
with knowledge; quantity is being confused with abundance and wealth
with happiness.
We
are monkeys with money and guns.”
Tom
Waits
„Zum
Glück haben die Sanitäter mir gleich eine Invasion gelegt.“
Fritz
Walter – nicht der Weltmeister, der andere :-)
"Die
Liebe allein versteht das Geheimnis, andere zu beschenken und dabei
selbst reich zu werden".
Augustinus
Bis
bald, vielen Dank für alles!
pax
j.
facebook/jensböttcher
(künstlerseite)
facebook/pacodeluca
(sekretariat)