Freitag, 13. Februar 2015

VON VOLLIDIOTENBANDEN, DER ANGST, DER LIEBE UND DEM TIEFSEHTAUCHEN


VON VOLLIDIOTENBANDEN, DER ANGST, DER LIEBE UND DEM TIEFSEHTAUCHEN

BÖTTCHER-Newsletter 3/2015




Liebe Freunde,

als Prolog eine kurze Apologie: nun habe ich ja schon einige Male Besserung gelobt, was das regelmäßige Schreiben meiner Blogs und Newsletter angeht – ich mach das jetzt hier mal lieber nicht nochmal, sondern gebe stattdessen mit verbliebener Restlässigkeit zu Protokoll, dass mein Leben im vergangenen Jahr nochmal eine Spur voller geworden ist, als es ohnehin schon war. Deshalb, nebenbei, ganz formlos, aber mit Vehemenz: Schulligung, wenn es mittlerweile mal deutlich länger dauern kann mit dem Mailbeantworten und so. Ich freue mich aber weiterhin riesig über eure Zeilen, Briefe, Ermutigungen und Lebensgeschichten. Nur wächst mir mittlerweile der Berg zuweilen etwas über die Frisur. Trotzdem: Thx!! Eure Anteilnahme an meinen und unseren Werken und Worten ist sowohl für mich als auch für uns als Band sehr erbaulich. Es fühlt sich wirklich schön an, zu wissen, dass mit vielen von euch eine echte Herzensverbindung besteht. :-) Und all eure guten und lieben Worte ermutigen uns wirklich sehr, diesen oft doch recht steinigen Weg als „Künstler zwischen den Stühlen“ weiterzugehen.

Bevor ich gleich zu den wichtigen News aus meinem Arbeitsstübchen hier in Himmelherzhausen komme, noch eben – und zwar dem eigenen inneren Widerstand zum Trotze, dass ich mich damit in die Schlange derer einreihe, die sich ungefragt zu Themen äußern, die längst unter Worten, Thesen und Theorien begraben scheinen - ein kurzes Statement zur Lage der Nationen, Herzen, Seelen – das dem überall publizierten vielleicht, hoffentlich, eine ungewohnte Zutat beimischen kann.

Es geschieht so vieles da draußen, was mit „beängstigend“ eigentlich noch sehr mild umschrieben ist. Die Welt scheint mehr und mehr durchzudrehen. Überall wachsen Misstrauen und Ängste, gedeihen Ohnmacht und Orientierungslosigkeit auf dem Nährboden von Kriegen, Terror, Währungskrisen und sonstiger finanzieller und seelischer Unsicherheit. Aber damit lange nicht genug: Das alles schafft ein (wenn auch langsam und irgendwie diffus-wachsendes) Bewusstsein dafür, dass wir längst alle nicht mehr nicht-nur-nicht-mehr-verstehen-können, was um uns herum eigentlich passiert und wer-eigentlich-welches-Geschick-welcher-Individuen-oder-gar-Nationen-wohin-lenkt, sondern dass die meisten von uns einfach das Gefühl nicht mehr loswerden, es würde System (sic) hinter all dem florierenden Gehetze (sic) stecken. Mittlerweile kommen ja nicht mal mehr überzeugte Verschwörungstheorie-Allergiker gegen das Unwohlsein an, das allein durch die Tatsache entsteht, dass es die alten Bilder von „gut“ und „böse“ nun definitiv nicht mehr gibt. In meinem Herzen jedenfalls bewegt sich was.

Der kürzlich veröffentlichte Bericht über die von der US-Regierung initiierte oder wenigstens abgenickte Folter in Guantanamo ist ja nicht nur ekelerregend, unfassbar und jenseits aller Vorstellungen erschreckend. Er sollte nun auch den letzten wohlmeinenden und sich nach klaren Weltordnungen sehnenden Gut- und Schwarzweiß- und Musikantenstadl- und Evangelikal-Christenmenschen in unserem kuscheligen „Abendland“ zu der Erkenntnis aufwachen lassen, dass die ehemals vermeintlich guten Weltenretter längst die Seite gewechselt haben (sofern sie überhaupt je auf der „anderen“ waren) und das ganze Gefasel von „Moral“ und der „Wahrung der christlichen Werte“ schon lange nichts weiter ist, als zynischer Hohn. Oder auch Realität. Leider ist diese Art von Seelendunkel ja durchaus ansteckend - siehe die Ansammlungen von eskalierender Dummheit - wie etwa diese haarsträubende und an Fremdschämpotential (und das trotz Dschungelcamp!) nicht zu überbietende Pegida. Es scheint ein Punkt erreicht, an dem „Recht haben“ wohl definitiv nicht mehr reicht. Zumal es darum ja auch gar nicht geht. Weil natürlich sowieso keiner Recht hat. Die Menschen haben nicht recht, sondern Angst. Und wenn Menschen Angst haben, machen sie die allerdämlichsten Sachen.

Mir kommt es längst vor, als würde man auf einem albtraumhaften Schulhof die Kämpfe verschiedener konkurrierender, gewalttätiger Vollidiotenbanden beobachten, die sich gegenseitig die Köpfe mit Steinen einwerfen. Links stehen die, die beim Feuern der Wurfgeschosse laut „Wachstum ist alternativlos! Ein Hoch auf die christlichen (?) Werte! Die Moral! Rache für unsere Toten“ rufen – rechts jene, die mit „Terror! Euer Unglaube zerstört die Welt! Gebt uns außerdem endlich mal was von dem großen Kuchen ab! Und Wasser! Und, ach ja!, Rache für unsere Toten!“ zurückbrüllen.

Beide Seiten morden nun, vergewaltigen, brandschatzen, zerstören, bombardieren. Beide Seiten entwürdigen täglich das, was aus dem Menschsein womöglich längst hätte werden können oder sollen – die Fähigkeit, andere wirklich zu sehen, zu verstehen (auch Empathie genannt), daraus sich ergebend: die Fähigkeit zum Dialog und ein Blick dafür, dass so viele Bedürfnisse viel zu vieler Seelen auf dieser Welt ungestillt sind. Blöderweise ist das Egozentrik-Problem nun nicht exklusiv bei den immer-ach-so-bösen-Oberen, Tuscheltuschel-Illuminaten und Regierungsstrategen, sondern auch in den Herzen derer, die immer noch nichts besseres mit dem Überschuss ihres fleißig erarbeiteten Beamten- oder Managergehalts anzufangen wissen, als es zu Silvester einfach in fünf Meter Höhe über ihrem Doppelcarport zur Explosion zu bringen. Das Problem ist in unser aller Herzen (=verdammt nochmal) Wir sind die, die Menschen verhungern und verdursten lassen, wir sind die, denen immer noch lethargische Grausamkeiten wie „Tja, da kann man nix machen“ über die Lippen kommen. Aber die Zeit wird wohl kaum kommen, in der „es“ auf wundersame Weise für uns getan wird – dieses berühmte Umdenken hin zu einem Wandel des wirklich „menschlichen“. Na gut, bevor ich hier nun gedanklich völlig eskaliere, verweise ich lieber kurz auf mein jüngstes Buch „Interview mit dem Teufel.“ :-) (ohne finanzielles Interesse übrigens – ganz ehrlich, dafür sind meine Buchdeals einfach zu schlecht).

Nur dies noch: Nach der Zerstörung der World Trade Center in New York am 11/9/2001 (von wem auch immer!) gab es ein Statement vom Dalai Lama, das ich nie vergessen habe. Er sagte sinngemäß, dass die „christliche Welt“ eine einmalige Chance gehabt hätte, diesen Planeten auf den Weg zur Heilung zu bringen – unter Aufwendung dessen, was die „christlichen Werte“ nämlich wirklich ausmacht: Vergebung, Barmherzigkeit, Nächstenliebe, Bereitschaft zu Teilen. Die Bergpredigt. Stattdessen - wissen wir ja alle - machte sich der damalige Präsident des wilden Westens auf und schickte Hunderttausende eigener „christlicher“ Soldaten zur Rettung des „Guten“ los, um den Tod von 3000 Amerikanern mit 500.000 Toten zu sühnen, die zufällig in jenen Ländern auf Heilung der Welt und ihrer Seele warteten, die seither als zur „Achse-des-Bösen“ zugehörig galten. Und bis heute, an jedem einzelnen Tag, wird irgendwo irgendein Familienvater, irgendein Baby, irgendeine arabische Mama von einer amerikanischen Drohne getötet. Oh Gott, nein, um Himmels Willen, das ist natürlich keine Rechtfertigung für diese Horden von komplett-irren Gehirn- und Seelentoten, die im „Namen Gottes“ (wie übrigens auch schon George W.Bush damals) ihren eigenen Wahnsinn über die Welt kommen lassen, wie eine in-allen-heiligen-Schriften-befürchtete Plage. Es zeigt nur, siehe oben, nd mehr will ich hier ja gar nicht sagen, dass es eben beides gewalttätige Vollidiotenbanden sind. Wo ist denn nun die Achse des Bösen, wenn nicht gespannt um die ganze Welt? Und mitten in diesem Ascheregen aus monumentaler Rechthaberei stehen wir und posten stolz „Je suis Charlie“. Und gehen gleich anschließend unsere Neuwagen wienern. Und feuern, falls es uns überhaupt interessiert, die „gute“ Seite an, welche auch immer es ist, auf jeden Fall jene, die unseren individuellen Bedürfnissen eine Stimme gibt – eben im Kampf GEGEN etwas, das uns ängstigt.

Aber wenn nun auch die Zeit nicht auf Engelsflügeln angesegelt kommt, in der sich das alles über Nacht zum Guten wendet – so ist doch wenigstens die Zeit gekommen, es anzuschauen, es wenigstens im stillen Abendgebet beim Namen zu nennen – und sich von den gewalttätigen, geifernden, spuckenden Vollidiotenbanden auf dem Schulhof innerlich abzuwenden. Für das eigene Herz zu wählen, nicht mehr Teil dieses Irrsinns sein zu wollen.

Wir haben bei uns in der Band vor einigen Jahren beschlossen, unsere Kraft nicht mehr „gegen“ Dinge zu investieren, sondern „für“ etwas. Für uns ist das ein guter Weg geworden. Klappt nicht immer, aber die Richtung kommt uns ziemlich vernünftig vor. Ich glaube sogar mittlerweile, dass es der einzige Weg ist, den wir alle derzeit mit Blick auf eigenen inneren Frieden gehen könn(t)en. Es läge kollektive Kraft darin, der verängstigten Schwachköpfigkeit zB Pegidiens damit zu begegnen, die Gründe der Angst in den Herzen zu erkennen, zu versuchen, den vielen Mitläufern diese Angst zu nehmen, indem man ihnen Würde zusagt und sie diese Würde sogar spüren lässt. Gleiches gilt für die sogenannten Islamisten (nicht jene, die bereits für IS kämpfen, aber jene, in denen gerade der Gedanke wächst, es eines nahen Tages zu tun). Und gleiches gilt ebenfalls für die Geschundenen, die Abgelehnten, die Entwürdigten in unseren (angeblichen) Sozial- oder auch Hartz-IV-Systemen, für die (vermeintlich oder tatsächlich) psychisch Kranken, für die Verlorenen, die Heimatlosen, die Armen, die Kranken, die Betrunkenen, die Wütenden, die Gescheiterten, die stets Abgelehnten. Natürlich klingt ein Satz wie der folgende, aus dem Kontext gelöst und vogelfrei zitiert, wie tief aus der übelsten Kitschkiste gegriffen, aber vielleicht ist es gerade drum so wichtig, den Mut aufzubringen, ihn auszusprechen: Es gibt nichts anderes, was diese Welt auf einen Weg der Heilung bringen würde, als das, was Jesus das „höchste Gebot“ genannt hat. Liebe. Nichts, was wirksamer wäre, als die Entdeckung der Liebe in unseren eigenen Herzen. Liebe als Konsequenz. Als bewusster Weg. Ich glaube ja fest daran, dass sie, die Einzige, der zu folgen wirklich lohnt, deutlich ansteckender ist, als die oben erwähnte Dunkelheit. Und dass sie, trotz ihrer vermeintlichen Stille, doch stets lauter sein wird, als jeder Raketeneinschlag. Ganz besonders in der Summe. Und wenn es auch derzeit unmöglich scheint, zB eine Partei zu wählen, die eine solche Entscheidung unterstützen würde oder gar im Programm hätte, so bleibt doch am Ende die Ausrede schal, „es“ wäre für uns alle persönlich unmöglich gewesen. Make. Love. Not. War.


***

Herzlichen Glückwunsch an alle, die sich durch diesen Gedankenerguss bis zu dieser Stelle vorgearbeitet haben. :-) Hier also endlich News und Updates zu meinem und unserem künstlerischen Schaffen.


TIEFSEHTAUCHEN

Für all von euch, die es bislang verpasst haben. Henry, Karsten und ich produzieren seit einem guten halben Jahr das TV-Format „Tiefsehtauchen“, bei dem ich die Ehre habe, einige wunderbare sinnsuchende Menschen zu ausgiebigem Anti-Oberflächlichkeits-Blah-Blah begrüßen zu dürfen. Ihr könnt das alles bei Bibel TV im Fernsehen anschauen (immer samstags 1830h und sonntags 2330h) oder auf unserem Tiefsehtauchen-Kanal bei YouTube. Die erste Staffel läuft gerade in Wiederholung. In der allerersten Folge stelle ich unsere bescheidene Kunst etwas vor, Gäste danach waren Johannes Falk, Dania König, Eugen Drewermann (2 Folgen) und Sarah Brendel.

Wenn ihr mögt, klickt mal hier:


Die zweite Staffel ist nun abgedreht und wird dieser Tage in unserem Schneideraum frisiert und aufgehübscht– Gäste der kommenden Episoden sind u.a. Laith Al-Deen, 2 Flügel, Peter Godzik, Eugen Drewermann (wir haben zwei weitere Folgen mit ihm produziert), Siegfried & Christer Tepper, Sven Böttcher und Jakob „Jay“ Friedrichs. Unterstützt wird „Tiefsehtauchen“ großartigerweise weiterhin von der Firma Hartmann Elektrotechnik aus Hamburg und ganz besonders durch deren Chef Willi Neumann und seine Familie, sowie von Bibel TV.

Und von euch! Wir sind dankbar für die vielen positiven Rückmeldungen! Und wir freuen uns sehr auf alles, was wir da noch produzieren und aushecken dürfen.

SENDESTART DER ZWEITEN STAFFEL IST SAMSTAG, 18.04.2015 AUF BIBEL TV UND IN DER YOUTUBE.


NEUES ALBUM

Ich habe schon eine ganze Reihe von neuen Songs für unseren Nachfolger von „IV:Revolution“ geschrieben und bin weiter fleißig dabei. Wenn alles nach Plan läuft, werden wir im Frühsommer mit den Aufnahmen beginnen und zur geplanten Tour im Herbst ein neues Album im Gepäck haben. Ich hoffe sehr, dass es klappt. Und es fühlt sich grad beim Schreiben so an, als gäbe es reichlich Gründe und Stoff, den „Revolution“-Gedanken auf vielen Ebenen weiterzuspinnen (siehe oben, siehe überall). Das Orchester des himmlischen Friedens wird natürlich wieder dabei sein, genau wie einige besondere Gäste. Mehr Details demnächst.


TOUR IM HERBST

Danke für eure vielen Nachfragen diesbezüglich! Wir werden im Herbst wieder in Deutschland, Schweiz und womöglich auch wieder in Österreich touren. Termine werden wir im Sommer bekanntgeben. Wer von euch gern ein Hauskonzert o.ä mit uns veranstalten möchte: Schreibt uns gern eine Mail an post@tiefsehtauchen.de


EXTRA 3

Henry, Karsten und ich schreiben, sprechen uns produzieren weiter wöchentlich unsere kleine Miniserie „Neulich im Bundestag“ beim TV-Satiremagazin Extra3. Schaut gern mal in der YouTube rein: https://www.youtube.com/watch?v=OEMLIPxHgTw

:-))

Und dann noch, wie üblich, meine Zitate des Tages, äh, Monats, äh...

We are buried beneath the weight of information, which is being confused with knowledge; quantity is being confused with abundance and wealth with happiness.
We are monkeys with money and guns.”
Tom Waits

Zum Glück haben die Sanitäter mir gleich eine Invasion gelegt.“
Fritz Walter – nicht der Weltmeister, der andere :-)

"Die Liebe allein versteht das Geheimnis, andere zu beschenken und dabei selbst reich zu werden".
Augustinus


Bis bald, vielen Dank für alles!

pax
j.


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